Historical Saison Band 18
der anderen Straßenseite stattfand, ebenso vergnüglich verlief wie das ihre. Sie war selbst erstaunt, wie viel Freude ihr die Verlobungsfeier bereitete. Einzig dass Charles Gingham seine junge Frau nicht mitgebracht hatte, hatte sie ein wenig enttäuscht, doch sie hatte Verständnis dafür. Anscheinend war Louise wieder guter Hoffnung, denn sie litt unter Übelkeit und anderen Beschwerden. Auf die Begegnung mit einer anderen Dame hatte sie sich weit weniger gefreut. Als ihr zu Beginn des Abends Lady Charlotte vorgestellt wurde, war sie eine Weile verunsichert gewesen. Seltsamerweise hatte sie jedoch keinerlei Eifersucht empfunden.
Obgleich ihre Jugend bereits hinter ihr lag, ließ sich Lady Charlottes auffallende Schönheit nicht bestreiten. Von den makellos frisierten blonden Locken bis hin zu den seidenen Schuhen wirkte sie, als sei sie einem der feinen Londoner Modemagazine entsprungen. Sie befand sich in Begleitung ihres Gatten, eines beleibten, überdurchschnittlich großen Gentleman, der ganz anders als seine Frau ausgesprochen nachlässig gekleidet war. Allerdings wunderte sich Georgiana weniger über die äußere Erscheinung Wenburys, sondern viel mehr über die Art und Weise, wie sich Ben ihm gegenüber verhielt. Nichts verriet auch nur die geringste Feindseligkeit gegen den Mann, der die Frau bekommen hatte, die er selbst so gern geheiratet hätte. Tatsächlich hätte Ben ihn nicht freundlicher und warmherziger begrüßen können. Sein Verhalten Lady Charlotte gegenüber hatte Georgiana noch mehr überrascht. Er hatte lediglich eine Bemerkung, die eindeutig scherzhaft gemeint war, fallen lassen, die sie allerdings dazu veranlasste, ihm kokett mit dem Fächer gegen den Unterarm zu klopfen und ihm ein aufreizendes Lächeln zuzuwerfen. Ben hatte währenddessen nicht das geringste Interesse an ihr gezeigt.
Das Gegenteil war der Fall! Nicht einen Moment lang hatte er versucht, Lady Charlotte allein zu sprechen, oder auch nur in ihre Richtung geschaut. Es hatte fast den Anschein, als bedeute sie ihm überhaupt nichts mehr. Zumindest schien sie ihm nicht wichtiger zu sein als jeder andere Gast. Warum nur hatte er darauf bestanden, die Wenburys einzuladen?
„Warum zum Teufel hältst du dich hier drinnen versteckt?“ Seine tiefe, anziehende und so vertraute Stimme weckte ihr Schuldbewusstsein. „Unsere Gäste werden sich bald fragen, wo du bist! Auch ich würde dich längst suchen, wenn ich nicht zufällig gesehen hätte, wie du den Flur entlanggegangen bist.“
Gütiger Himmel! Er hatte zwar nicht weiter auf Lady Charlotte geachtet, aber sie schien er nicht aus den Augen gelassen zu haben! Da sie nicht wusste, ob sie sich geschmeichelt oder ein wenig beunruhigt fühlen sollte, beschloss sie, lieber bei der Wahrheit zu bleiben. Sie wusste ja ohnehin, dass er sofort durchschaute, wenn sie etwas vor ihm verbergen wollte.
„Ich bin, ohne nachzudenken, hier hineinspaziert. Dies war immerhin mein Zimmer, als ich hier gewohnt habe“, rief sie ihm in Erinnerung.
„Nun, das wird es nicht mehr werden“, erwiderte er kurzerhand, was ihr wehmütiges Lächeln erstarren ließ. Als er näher kam, schaute sie ihn vorsichtig und traurig an. „Was bereitet deinem hübschen Köpfchen Kopfzerbrechen?“, fragte er sanft, während seine Fingerspitzen über ihre feinen Wangenknochen strichen. „Habe ich dir je gesagt, wie … wie bezaubernd du bist?“
Bei diesen Worten senkte er leicht den Kopf, und Georgiana spürte, was er als Nächstes tun würde. Sie wusste, dass es Wahnsinn war. Dennoch war sie aus einem unerfindlichen Grund nicht in der Lage, sich zu bewegen oder sich gar von ihm abzuwenden. Als er seine Arme um sie legte und mit seinen Lippen zart die ihren berührte, erfasste eine warme Woge ihren ganzen Körper.
Wie ein meisterhafter Marionettenspieler hatte er sie vollständig unter Kontrolle. Schon eine leichte Berührung genügte, damit sie die Lippen öffnete. Als ob er an unsichtbaren Fäden zöge, brachte er sie dazu, ihre Hände auf seine breiten Schultern zu legen und ihren Körper dicht an den seinen zu drücken. In diesem kostbaren Augenblick ihres ersten Kusses spürte sie, dass sie ihm nichts, gar nichts würde abschlagen können. Sie konnte nur froh sein, dass er nicht die Kontrolle verlor. Erst als er sich sanft von ihr löste und die zärtliche, äußerst verwirrende Verzauberung beendete, kehrte ihr gesunder Menschenverstand langsam zurück.
Auch der Viscount klang weniger gelassen als
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