Historical Saison Band 18
kaum widerstehen, sich an seine stattliche Brust zu schmiegen, um diese schmerzliche Sehnsucht zu stillen, die sie ergriffen hatte. Doch weil sie entschlossen war, ihren Plan auszuführen, zwang sie sich, eine Handbreit Abstand von ihm zu halten.
„Sie haben behauptet, Sie würden jede Herausforderung von mir annehmen“, begann sie mit sanfter Stimme und strich mit den Handflächen über sein Jackett.
„Das habe ich“, gab Henry zu. Er legte seine großen Hände auf ihre schmalen Hüften und schob sie zurück, bis sie mit dem Rücken an einer Mauer lehnte.
Mit einem scharfen Blick musterte sie ihn und benetzte ihre vollen Lippen mit der Zungenspitze. Ich habe ihn fast so weit , dachte sie, während sie sorgfältig ihre Falle auslegte.
„Ich bin bereit, mit Ihnen zu wetten, dass Sie mich bei keinem weiteren Diebstahl ertappen werden, solange Sie in Hongkong sind.“ Ihre Stimme klang so verlockend und süß wie Honig.
„Eine kühne Wette.“ Henry fuhr mit den Fingern über ihren Arm, und in seinen Augen blitzte Interesse auf. „Was verlangen Sie, wenn es mir nicht gelingt, Sie zu ertappen?“
„Ihr Schweigen.“
„Akzeptiert.“ Er legte seine Hände zärtlich an ihren schlanken Nacken. Sanft strich er mit dem Daumen über ihr Schlüsselbein. „Und welche Belohnung erhalte ich, wenn ich Sie fange?“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, ihre zarte Wange berührte beinahe die seine.
„Alles, was Sie wollen“, flüsterte sie, und er spürte die feuchte Wärme ihres Atems an seinem Ohr.
Sein Mund wurde trocken.
„Alles?“, murmelte er.
„Alles“, hauchte sie, ein siegessicheres Lächeln auf den Lippen.
„Ich akzeptiere Ihre Wette, wenn Sie mir eine Frage beantworten.“
„Natürlich.“
„Ihnen mangelt es an nichts. Warum begehen Sie diese Diebstähle?“
Isabelle neigte den Kopf und musterte ihn aufmerksam. Kein Zorn lag in seiner Miene, keine Boshaftigkeit in seinem Ton. Es schien, als sei er aufrichtig daran interessiert, den Grund zu erfahren.
„Vielleicht sollte ich es Ihnen besser zeigen.“
Sie drehte sich um und bedeutete ihm, ihr zu folgen. Schon bald lag die enge Gasse hinter ihnen, und sie geleitete ihn immer tiefer ins Herz von Wan Chai. Schließlich kamen sie an einem Freudenhaus an. Isabelle musste sich leicht bücken, um durch die niedrige Tür ins Innere zu gelangen. Ungläubig folgte Henry ihr. Sofort wurde er von einer Gruppe spärlich bekleideter Dirnen umringt, die mit den Händen über sein Jackett streiften und ihm einschmeichelnde Worte zuflüstern. Währenddessen wurde Isabelle von der Madam begrüßt, die sich tief vor ihr verneigte. Nach einem kurzen Gespräch in der Henry so fremden Sprache stolzierte die Madam, die unablässig an einer Opiumpfeife zog, zu ihm herüber und scheuchte die Mädchen mit einer kurzen Handbewegung und scharfen Worten davon. Sie musterte Henry von Kopf bis Fuß und brach in schallendes Gelächter aus – ein meckerndes, abgehacktes Lachen, das ihn fast die Nerven verlieren ließ.
Dann führte sie die beiden unter Gemurmel eine baufällige Holztreppe hinauf und einen langen Korridor hinunter. Durch viele der schäbigen Türen drangen Laute der Lust zu ihnen, ein seltsames unmelodisches Gewirr aus englischen und kantonesischen Stimmen. Sie gingen bis zum Ende des Ganges. Dort deutete die Madam auf eine offene Tür, hinter der man Isabelles Zofe Jia-Li knien sah, die wertvolle goldene Robe lag ausgebreitet in ihrem Schoß. Eine kleine Schar ausgemergelter Frauen, deren Armut ihnen deutlich anzusehen war, saß im Halbkreis vor ihr. Andächtig strichen sie mit ihren dünnen, knochigen Fingern über den edlen Stoff.
Isabelle eilte an Henry und der Madam vorbei und ließ sich anmutig auf die staubigen Dielenbretter des kargen Raumes sinken, ohne sich darum zu kümmern, ob ihre Röcke verschmutzten. Kurz darauf servierte Isabelle Lei Hennessey, Tochter des Gouverneurs von Hongkong und die vielversprechendste Debütantin der Saison, dieser kleinen Gruppe mittelloser Frauen den Nachmittagstee. Sie schenkte das heiße Getränk mit solcher Grazie und Eleganz aus, als serviere sie ihn bei Hofe. Dankbar nahmen die Frauen die Tassen entgegen. Während sie ihren Tee tranken, legte Isabelle für jede von ihnen Geld bereit. In die Arme der jüngsten Frau übergab sie voller Ehrfurcht die goldene Robe. Anschließend kniete sie vor einer älteren Frau nieder, die in einer Zimmerecke saß, und verbeugte sich so tief vor ihr, dass ihre Stirn den
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