Historical Saison Band 18
jedoch nicht die Rührung, die sich in seinen dunkelbraunen Augen spiegelte. „In Deerhampton hätte ich vermutlich wirklich nur kleine Blessuren davongetragen, aber gestern Nacht verhielt es sich völlig anders. Wenn mein Page nicht derart mutig eingegriffen hätte, säße ich jetzt vielleicht nicht hier – mit nichts als ein paar Schürfwunden. Ist es da verwunderlich, dass ich das Kind so lieb gewonnen habe?“
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er aufmerksam beobachtet wurde, und er stand auf. „Wenn du nun dein Frühstück beendet hast, lass uns das Haus verlassen und der ganzen Welt die Geburt deines Sohnes verkünden!“
Obgleich Charles Gingham es unterließ, erneut auf das Thema zurückzukommen, beschäftigte ihn das ungewöhnliche Verhalten seines Freundes noch lange. Er bekam den Pagen im Laufe des Tages noch zweimal zu Gesicht. Etwas an dem jungen Burschen – er wusste nicht recht was – kam ihm ausgesprochen merkwürdig vor. Erst als er am Abend nach einem Besuch bei Verwandten in das Haus am Berkeley Square zurückkehrte, ahnte er den wahren Grund.
Ohne dass Brindle ihn angekündigt hatte, betrat er die Bibliothek, wo Lord Fincham und sein Lieblingsdiener einander am Kamin gegenübersaßen. Beide waren in eine Schachpartie vertieft. Charles Gingham blieb daher etwas Zeit, das traute Bild, das sich ihm darbot, unbemerkt zu betrachten. Er beobachtete genau, wie der Page nach seinem Weinglas griff, um einen winzigen Schluck zu trinken, und wie grazil dessen schlanke, feingliedrige Finger eine Spielfigur über das Brett bewegten. Daraus ließ sich nur eine Schlussfolgerung ziehen.
„Wenn das nicht Mr Gingham ist!“, rief Georgie, die ihn schließlich entdeckt hatte. „Wir haben Sie nicht so früh zurückerwartet, nicht wahr, Mylord?“
„In der Tat, mein Kind“, stimmte der Viscount freundlich zu, ohne seine Augen vom Schachbrett abzuwenden. „Zieh dir einen Stuhl heran, alter Knabe. Ich hoffe, du hast nichts dagegen einzuwenden, wenn wir noch eine Weile weiterspielen. Die Partie ist gerade an einem höchst interessanten Punkt angelangt, musst du wissen.“
Charles schenkte sich ein Glas Wein ein und nahm auf einem Stuhl Platz, der ein wenig abseits stand. „Achte gar nicht auf mich, Ben. Ich bin ganz zufrieden, die weiteren Züge von hier aus zu verfolgen.“
Obwohl er versuchte, sich auf den Verlauf der Partie zu konzentrieren, schien es ihm unmöglich, nicht auf den Gegner seines Freundes zu achten, der ihm durchaus ebenbürtig war. Je länger er die Bewegungen des schlanken, geschmeidigen jungen Körpers beobachtete, umso mehr war er davon überzeugt, dass er mit seinem unglaublichen Verdacht richtiglag. Als sich seine Blicke schließlich mit denen Finchams trafen, umspielte ein rätselhaftes Lächeln dessen Mundwinkel.
Schließlich schlug die Standuhr die elfte Stunde und der Viscount lehnte sich im Sessel zurück. „Es ist spät, mein Kind, und Zeit für dich, zu Bett zu gehen. Ich gebe mich geschlagen. Gut gespielt!“
„Oh, nein, Mylord! Das wäre nicht gerecht. Ich habe Sie nicht geschlagen. Ich bin mit einem Remis einverstanden.“ Der Einspruch wurde mit einem so bezaubernden Lächeln vorgebracht, dass es Charles beinah den Atem raubte.
Aus der Reaktion des Freundes ließ sich indes nicht viel ablesen. Er antwortete: „Nun gut, wir haben eine Pattsituation. Sei dir sicher, dass ich dich in nächster Zukunft wieder herausfordern werde. Gute Nacht, Georgie.“
Sobald sich die Tür hinter dem Pagen geschlossen hatte, setzte sich Charles auf den frei gewordenen Platz gegenüber seinem Freund. Er sprach kein Wort und auch Lord Fincham schwieg. Doch als sich das Schweigen zwischen ihnen in die Länge zog und Charles sah, dass der Hausherr nur versonnen lächelnd in den heruntergebrannten Kamin blickte, konnte er sich nicht länger zurückhalten.
„Verdammt, Ben! Welches Spiel treibst du?“
Überrascht hob der Viscount die dunklen Brauen. „Was denn, mein Lieber? Stimmt etwas nicht? Du weißt genau, dass die Partie mit einem Unentschieden geendet hat. Das ist ein für beide Seiten zufriedenstellendes Ergebnis.“
„Bei mir kannst du dir die Ausflüchte sparen, Ben! Dafür kennen wir uns schon zu lange“, erwiderte Charles ernst. „Dein Page … ist ein verdammtes Mädchen! Wage nur nicht, das Gegenteil zu behaupten!“
Als der Freund nicht widersprach und weiterhin auf provokative Weise den Kamin anlächelte, wurde Charles zornig. „Verdammt, Mann! Das ist nicht zum
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