Historical Saison Band 18
geboten, aus Fincham Park und vor seinem allzu bezaubernden Herrn zu fliehen. Auch wenn der Abschied ihr das Herz gebrochen hatte, so hatte sie doch wenigstens genügend Charakterstärke bewiesen, dem empfindsamsten aller Organe nicht die Herrschaft über ihren Verstand zu überlassen. Sie konnte nur inständig hoffen, dass sie dieselbe Stärke besaß, wenn sie in Zukunft ein Leben ohne den Viscount führen musste und jeden Tag die Einsamkeit und Verlorenheit spüren würde, die dies für sie bedeutete.
„Madam, zu diesem Zeitpunkt wusste ich tief in meinem Herzen bereits, dass er auf keinen Fall etwas mit dem Mord zu tun hat“, offenbarte sie schließlich. „Ich bin nicht so töricht zu denken, dass Lord Fincham keinerlei Fehler besäße. Dennoch ist er ein ehrenhafter Mann, der niemals einen heimtückischen Mord aus Gewinnsucht unterstützen würde. Überdies hat er keinerlei Motiv. Er ist reich. Das ist Ihnen doch sicher bekannt?“
Die Witwe nickte bestätigend. „Aber vergiss nicht, Kind, es gibt in seinem Wesen einen ruchlosen Zug. Er ist dafür bekannt, um hohe Summen zu spielen. Und in der Zeit des Großen Terrors ist er nach Frankreich gegangen, um irgendwen zu retten. Also ist er durchaus bereit, das eine oder andere Wagnis einzugehen, oder etwa nicht?“
Auch wenn Georgiana dem zustimmen musste, war sie trotzdem aufrichtig davon überzeugt, dass sie sich auf die anderen Männer aus dem Kreis der sogenannten Fünf konzentrieren sollten. Sie zögerte daher nicht, nun ihrerseits der Countess eine Frage zu stellen. „Was wissen Sie über die drei anderen Gentlemen, Madam?“
„Ich fürchte, sehr wenig. Natürlich bin ich ihnen schon begegnet. Sir Willoughby Trent ist ein Müßiggänger mittleren Alters, der eine Schwäche für Dinge von großer Schönheit besitzt. Ich glaube, er hat vor ein paar Jahren geheiratet, allerdings weiß ich nicht, was aus seiner Frau geworden ist, ob sie noch am Leben ist oder nicht. Lord Rupert Gyles gilt als Spieler und eingefleischter Junggeselle. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist er im Großen und Ganzen von seinem Bruder abhängig. Und was Chard betrifft – er hat vor etwa sechs Jahren eine reiche Bürgerstochter geheiratet und unterhält ein schönes Landgut in Kent. Wenn ich im Frühjahr nach London reise, wird meine gute Freundin Lady Pickering mich ganz sicher mit dem neuesten Klatsch über sie alle versorgen können.“
„Dann haben Sie also beschlossen, die Saison in der Stadt zu verbringen, Madam?“, fragte Georgiana, die einen zweiten Aufenthalt in London für erforderlich hielt, um mehr über die Verdächtigen herauszufinden.
„Gewiss. Ich muss meinen Verpflichtungen gegenüber meinen Enkelkindern nachkommen. Richard wird glücklicherweise noch ein weiteres Jahr in Eton bleiben, bevor er nach Oxford geht. Aber Sophia freut sich sehr auf ihre erste Saison. Die letzten Wochen in Bath haben uns beiden sehr gutgetan, auch wenn wir uns nur wenig unter die Leute begeben haben.“ Sie hob den Kopf und heftete ihren Blick auf die schlanke Gestalt am Fenster. „Das Leben muss weitergehen, Georgiana. Ich habe einen Sohn verloren und Sie einen liebevollen Patenonkel. Doch wir können nicht für alle Zeiten trauern. Meine einzige Sorge ist, dass Fincham, der alles andere als ein Narr ist, Sie wahrscheinlich wiedererkennt.“
„Was soll das für eine Rolle spielen, Madam?“ Verwundert kehrte Georgiana zu ihrem Platz am Kamin zurück. „Auch wenn ich auskömmlich versorgt bin, könnte ich es mir niemals leisten, in seinen gehobenen Kreisen zu verkehren. Unsere Wege werden sich wohl kaum ein zweites Mal kreuzen.“
„Das befürchte ich schon“, widersprach die Witwe. „Ich habe zuvor nicht davon gesprochen, weil ich wusste, dass Sie nach dem Überfall viel zu traurig waren, um an irgendein Vergnügen zu denken. Dennoch entspricht es den Tatsachen, meine Liebe, dass mein Sohn in seinem Testament weitere Vorsorge für Sie getroffen hat. Er legte Geld für Sie zur Seite, damit Sie eine Saison in der Stadt genießen können, und hat Sie überdies mit einer Mitgift ausgestattet. Im Vergleich zu Sophias Aussteuer ist sie natürlich nicht weiter erwähnenswert, aber trotzdem nicht zu verachten.“
Mit Tränen in den Augen sah Georgiana die alte Frau an. „Das hat er für mich getan?“
„Er liebte Sie, Kind. Er hätte Sie nicht mehr lieben können, wenn Sie sein eigen Fleisch und Blut gewesen wären.“ Die Witwe öffnete die Lippen, als wolle sie
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