Historical Saison Band 18
Feind haben.“
Sophia sah sie mit einem Mal zweifelnd an. „So jemandem möchte ich lieber nicht begegnen“, erklärte sie. „Das klingt nach einem bedrohlichen und gar nicht angenehmen Gentleman.“
„Oh, er kann sehr umgänglich sein, wenn er guter Laune ist“, widersprach Georgiana. Dann bemerkte sie, dass sie mit großer Neugier gemustert wurde, und erhob sich eilig, um mit dem Auspacken fortzufahren.
Sophia indes ließ sich nicht so leicht ablenken. „Du bist ihm bereits begegnet!“, verkündete sie triumphierend.
Georgiana straffte die Schultern und bemühte sich verzweifelt, gleichgültig zu erscheinen. „Und wo soll ich meinem Sir Galahad, bitte schön, begegnet sein? In unserer Umgebung ist dir doch jeder bekannt, den ich je getroffen habe. Ist dir darunter auch nur einer aufgefallen, der meiner Beschreibung entspricht? Mir ganz sicher nicht.“
„Das ist wahr“, räumte Sophia ein, jedoch verriet das ahnungsvolle Leuchten ihrer Augen eine neue Erkenntnis. „Aber was ist mit jenen Wochen im letzten Herbst, als Großmutter und ich in Bath weilten, du aber nicht bei uns warst?“
„Du weißt ganz genau, dass ich die Gelegenheit genutzt habe, meine Cousine und ihre Familie in der Nähe von Oxford zu besuchen. Leider musste ich länger als geplant bleiben, um die schreckliche Erkältung loszuwerden, die ich mir dort eingefangen hatte. Zu allem Überfluss hat der dortige Quacksalber auch noch darauf bestanden, dass ich mir die Haare abschneide.“
Georgiana hasste es, das Mädchen anzulügen, das sie wie eine jüngere Schwester liebte. Dennoch hatte sie keine andere Wahl. Sophia und ihr jüngerer Bruder Richard waren nicht in alle Einzelheiten eingeweiht, die den Tod ihres Vaters betrafen, und ihre Großmutter wollte es fürs Erste dabei belassen.
„Wie könnte ich dort dem Gentleman meiner Träume begegnet sein! Ich pflege keine Angehörigen des starken Geschlechts am Krankenbett zu empfangen. Bitte bringe bloß keine Gerüchte in Umlauf! Ich möchte nicht zum Gegenstand böswilligen Geredes werden.“
In diesem Moment bemerkten die beiden jungen Frauen, dass sie nicht mehr allein im Zimmer waren. Wie lange die alte Countess schon im Türrahmen stand, ließ sich schwerlich sagen. Gleichwohl machte sie einen ausgesprochen nachdenklichen Eindruck, ganz so, als ob ihr etwas missfallen hätte.
„Lasst das nur liegen, meine Lieben“, sagte sie. „Die Dienstmädchen werden sich um das Auspacken kümmern. Der Tanzlehrer ist da, Sophia, und erwartet dich im Salon. Georgiana, seien Sie bitte so gut und begleiten Sie mich in meine Räumlichkeiten, bevor Sie sich zum Unterricht begeben. Es gibt etwas Dringendes, das ich mit Ihnen besprechen muss und das keinen Aufschub duldet.“
Georgiana kam nicht umhin, festzustellen, dass die alte Dame zutiefst beunruhigt wirkte. Vermutlich hatte Lady Pickering, die an diesem Morgen zu Besuch gekommen war, mit verstörenden Neuigkeiten aufgewartet.
Als sie im Zimmer der Countess Platz nahmen, äußerte Georgiana daher vorsichtig: „Madam, offensichtlich bereitet Ihnen etwas Sorgen. Ich hoffe, Ihre werte Freundin Lady Pickering hat keine schlechten Nachrichten überbracht …“
Die Witwe schwieg.
„Hat mich etwa jemand wiedererkannt?“
Der Seufzer, der auf diese Frage folgte, war unüberhörbar. „Wenn es nur das wäre!“
Nachdenklich schaute die alte Dame ihrer jungen Begleiterin in die Augen. Mit einem Mal wirkte sie sehr erschöpft und zerbrechlich. „Mein liebes Kind“, begann sie leise, „ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, weshalb mein Sohn Sie geliebt hat, als wären Sie seine eigene Tochter und nicht nur sein Patenkind?“
Georgiana hätte die Frage nur zu gern als unsinnig von sich gewiesen, doch war sie dazu zu ehrlich. Mit aller Macht drängten sich ihr die Erinnerungen an halb geflüsterte Worte und mitleidige Blicke in den Sinn, die sie beim Tod ihrer Mutter vor etwa sechs Jahren hatte erdulden müssen.
„Ich weiß, dass der Earl und meine Mutter einst einander versprochen waren. Meine Mutter löste die Verlobung, als Ihr ältester Sohn starb und mein Patenonkel zum Erben des Titels wurde. Sie erzählte mir einmal, sie habe sich den Aufgaben und Pflichten einer Countess nicht gewachsen gefühlt. Indem sie auf eine Heirat mit ihm verzichtete, ermöglichte sie meinem Patenonkel eine angemessenere Partie.“
Die Witwe lachte bitter auf. „Das hat sie Ihnen also erzählt? Die liebe Frances hat mir offensichtlich bis zum Schluss die
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