Historical Saison Band 18
vor lassen – oder zumindest in der nächsten Zeit. Wenn wir am Ende der Woche nach Gloucestershire zurückkehren, werde ich Digby ins Vertrauen ziehen. Sofern er glaubt, uns behilflich sein zu können, schicken wir ihn so bald wie möglich nach London.“ Erneut überlegte Georgiana einen Augenblick, bevor sie hinzufügte: „Natürlich wird ein Großteil der feinen Gesellschaft die Hauptstadt verlassen und sich aufs Land zurückgezogen haben. Allerdings habe ich vor ein paar Tagen erfahren, dass Lady Smethrusts berühmte Perlen gestohlen wurden, als sie mit ihrer Kutsche in Hampshire unterwegs war. Glücklicherweise ist diesmal niemand verletzt worden – vermutlich, weil sich keiner der Reisenden zur Wehr gesetzt hat. Digby kann möglicherweise herausfinden, was mit den Perlen nach dem Überfall geschehen ist. Er wird einige Zeit in London bleiben müssen, denn ich möchte, dass er schon dort ist, wenn die Saison beginnt. Mit ein wenig Glück findet er etwas Interessantes heraus, vor allem, wenn die Verdächtigen wieder in die Stadt zurückkehren.“
„Schicken Sie ihn zu mir, bevor er aufbricht. Ich werde dafür sorgen, dass er die nötigen finanziellen Mittel erhält.“ Die alte Dame lehnte sich zurück und machte nun einen recht zufriedenen Eindruck. „Jetzt muss ich mir nur noch etwas für Sie überlegen“, fügte sie hinzu und musterte Georgianas kurze, seidige schwarze Locken. „Ihr Haar wird natürlich bis zum Frühling nachgewachsen sein. Aber wird das reichen?“
„Machen Sie sich keine Gedanken, Madam“, erwiderte Georgiana, die sofort verstand, was die Witwe meinte. „Im Frühjahr werden die meisten Leute längst vergessen haben, dass Fincham jemals einen Pagen hatte. Nur der Viscount selbst wird sich daran erinnern … und ich bin mir sicher, dass er mich niemals verraten wird.“
„Ich hoffe inständig, Ihre hohe Meinung von ihm ist gerechtfertigt, mein Kind.“
„Oh, ist das nicht aufregend, Georgie!“, rief Lady Sophia aus, während sie einen Stapel Schachteln auspackte, die an diesem Morgen von verschiedenen Schneidern und Modistinnen gekommen waren. Gemeinsam mit der Countess hielten sie sich bereits seit mehreren Wochen in London auf und hatten eine Vielzahl eleganter Geschäfte besucht. „Nun werden wir beide morgen Abend auf Lady Pickerings Fest und am Freitag auf unserem eigenen Ball nach der neuesten Mode gekleidet sein.“
„Auf deinem Ball“, verbesserte Georgiana sie. „Mit dreiundzwanzig bin ich über das Alter hinaus, in dem man sich als Debütantin präsentiert. Ich bin einfach hier, weil dein Vater es so wünschte. Ganz brav werde ich neben all den anderen langsam verwelkenden Mauerblümchen an der Wand sitzen und deinen Erfolg genießen.“
„Verwelkendes Mauerblümchen, also wirklich!“, empörte sich Sophia. „Du wirst nie ein Mauerblümchen werden, Georgie. Dafür bist du viel zu entzückend. Überdies würde niemand dein Alter erraten. Wenn wir ehrlich sind, siehst du nicht älter aus als ich!“
„Sophia, du hast großes Glück, dass ich dich für einen Menschen ohne Tücke halte, sonst würde ich dir für dieses zweifelhafte Kompliment die Ohren lang ziehen“, verkündete Georgiana und lachte. „Aber ganz im Ernst …“, fuhr sie fort. Das Lächeln schwand aus ihrem Gesicht und sie ließ sich auf das Bett sinken, „… ich bin nicht in der Absicht hergekommen, mir einen Ehemann zu suchen.“
Gegen ihren Willen kamen ihr durchdringende dunkelbraune Augen, die ein scharf geschnittenes maskulines Gesicht zierten, in den Sinn. Und wieder befiel sie jene schmerzhafte Sehnsucht, die in den langen und einsamen Monaten nach ihrer Flucht aus Fincham Park kaum von ihr gewichen war. „Weißt du, Sophia, ich glaube nicht daran, jemals einem Gentleman zu begegnen, der dem besonderen Mann meiner Träume gleicht.“
Mit all der Begeisterungsfähigkeit der Jugend klatschte Sophia in die Hände. „Oh, stellst du dir einen Ritter in prachtvoller Rüstung vor – groß, dunkel und attraktiv?“
Georgiana überlegte einen Moment. „In zwei Punkten hast du auf jeden Fall recht – er ist eindeutig groß und dunkel. Doch egal, wie man es dreht und wendet, niemand könnte ihn als Sir Galahad aus König Artus’ Tafelrunde bezeichnen. Obgleich man natürlich nie wissen kann, wie jemand in bestimmten Situationen reagiert. Gewiss mangelt es ihm nicht an Mut.“ Sie blickte einen Moment auf den mit Schnitzereien verzierten Bettpfosten. „Ich möchte ihn nicht zum
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