Historical Saison Band 19
antwortete Sophie mit Nachdruck.
„Das ist jetzt aber gar nicht nett von Ihnen, Miss Rose – und das in der Weihnachtszeit. Sie sollten sich wirklich schämen“, tadelte Audrey, als ob ihre Gouvernante ein unreifes Mädchen wäre.
„Seltsamerweise schäme ich mich gar nicht“, sagte Sophie ein wenig verdrießlich, forderte die beiden Mädchen auf, das Dinner zu essen, das soeben nach oben gebracht worden war, und ermahnte sie, ihr gegenüber ein wenig mehr Respekt zu zeigen, wenn sie später nach unten kamen – ganz so, als ob sie wirklich eine strenge Erzieherin missratener junger Damen wäre.
Sie verließ die beiden Mädchen, begab sich auf ihr Zimmer und zog ihr zweitbestes Kleid an. Heute Abend wollte sie jedem beweisen, dass sie es nicht nötig hatte, sich wie ein Mauerblümchen zu verstecken. Dennoch band sie die Locken zu dem schmucklosen Chignon, den sie auch gewöhnlich trug, und stellte sicher, dass ihr keine Strähne in modischer Unordnung frei über die Stirn fiel. Immerhin war sie eine Gouvernante, auch wenn es nicht nötig war, dies in der extremen Weise wie am Vorabend zu demonstrieren. Sie steckte ein sauberes Taschentuch in ihr schlichtes Retikül und bürstete eine Fluse von ihrem dunkelgrünen Kleid. Dann betrachtete sie sich im Spiegel und lächelte nachdenklich. Wenn die Mädchen oder sonst jemand erwarteten, dass sie sich plötzlich in einen wunderschönen Schmetterling verwandelte, würden sie bitter enttäuscht werden.
Als Sophie den Salon betrat, war sie überrascht, Mr Wroxley im Kreise der anderen in dem gemütlich warmen Raum vorzufinden. Sie warf Peter einen fragenden Blick zu in der Hoffnung, dass die Garret-Lowdens gerade nicht hinsahen. Nun, da unerwartete Gäste ihren Aufenthalt in Heartsease Hall belebten, schien es für Timons Verlobte und deren Mutter zumindest weniger reizvoll, sich die Zeit mit Schimpftiraden gegen die Gouvernante zu vertreiben. Peter schüttelte leicht den Kopf und signalisierte ihr tonlos mit dem Mund ein „Später“, woraufhin sie sich erneut nervös umblickte, um sicherzugehen, dass niemand sie beobachtet hatte. Glücklicherweise war Edwina damit beschäftigt, sich höflich mit Mrs Garret-Lowden über die besten Adressen für atemberaubende Abendkleider auszutauschen, und Mr Wroxley wirkte ungewohnt kleinlaut und starrte ins Kaminfeuer, als ob darin etwas besonders Interessantes erkennbar wäre.
Plötzlich erfüllte ein Lavendelduft das Zimmer, und Miss Willis erschien in einem Seidenkleid. Sie wirkte noch blasser und dünner, als Sophie sie in Erinnerung gehabt hatte, und Mrs Elkerley stützte sie, als ob sie besorgt wäre, die feingliedrige Dame fortgeschrittenen Alters könnte hinfallen, wenn sie nicht an deren Seite blieb.
„Oh, es geht dir gut genug, um endlich nach unten zu kommen!“, rief Edwina, eilte zu ihrer geliebten Tante und ließ Mrs Garret-Lowden allein über Rocklängen und Spitzenbordüren philosophieren.
„Ich fühle mich wieder ganz gesund“, stellte Miss Willis klar, die nicht wollte, dass man um sie einen solchen Wirbel machte.
„Das sieht man dir aber nicht an“, bemerkte ihr respektloser Neffe und bot ihr einen Arm zum Geleit – wenn sie schon keine Hilfe von anderen annehmen wollte.
„Unverschämter Junge!“, schimpfte sie, doch Sophie entging nicht, dass sie sich fest an seinen starken Arm klammerte und sich erleichtert auf dem besten Platz vor dem Kamin niederließ, den Cedric Wroxley nach einem Nicken von Peter sofort freigegeben hatte. „Es ist wahrhaftig eine Wohltat, sich nach den vielen Stufen auf einem bequemen Kissen niederzulassen“, stellte sie fest und streckte die Hände dem wärmenden Feuer entgegen.
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin, dich endlich wieder auf den Beinen zu sehen“, versicherte Peter.
„Schon gut, mein Junge, aber könntest du mir bitte verraten, wer all diese Leute sind? Warum hast du sie mir nicht gleich vorgestellt, als ich dieses schöne alte Zimmer betrat?“
„Wie nachlässig von mir, mich in erster Linie um deine Gesundheit und deine Bequemlichkeit zu sorgen und mich erst dann um gesellschaftliche Höflichkeiten zu scheren“, erwiderte er gelassen.
„Die Manieren von heute“, beschwerte sie sich rundheraus, und Sophie musste ein Lächeln verbergen, weil sie erkannte, wie wenig sich Miss Willis in all den Jahren verändert hatte. Jetzt, da sie sich halbwegs von der strapaziösen Reise durch den Schneesturm erholt hatte, schien sie
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