Historical Saison Band 20
Deborahs Wunsch ist, meine Liebe, wollen wir sie nicht davon abbringen. Ich werde den Einspänner vorfahren lassen.“ Er zog am Glockenstrang. „In einer Stunde. Du wirst das Pferd nicht unnötig warten lassen, nehme ich an.“
„Nein, sicher nicht, daher werde ich mich schon jetzt verabschieden.“ Ohne ihre Erleichterung zu zeigen, drückte sie Lady Kinsail die Hand. „Cousine Margaret.“ Und indem sie einen winzigen Knicks vollführte: „Jacob. Ich wünsche dir Glück dabei, dein Eigentum wiederzuerlangen. Danke für die Gastfreundschaft. Nun muss ich mich beeilen, sonst bin ich nicht rechtzeitig mit Packen fertig. Lebt wohl.“
„Bis zum nächsten Jahr“, hauchte Lady Kinsail traurig.
Deborah stand kurz davor, ihr abzusagen, doch erneut hielt die Vorsicht sie davon ab. Wenn der Earl etwas noch mehr hasste, als die Witwe seines Cousins zu beherbergen, wäre es vermutlich die Weigerung der Witwe seines Cousins, seine Gastfreundschaft anzunehmen.
„In einem Jahr kann so viel geschehen“, sagte sie dunkel, verließ den Großen Salon und schloss die Tür hinter sich.
Zum letzten Mal, wie sie inständig hoffte.
2. KAPITEL
London, drei Wochen später
E lliot unterdrückte ein Gähnen und fischte nach der Uhr in seiner Westentasche. Fünf nach zwei, und sein Freund Cunningham zeigte trotz der späten Stunde keinerlei Neigung zu gehen. In dem Spielsalon bei Brook’s herrschte eine Atmosphäre gespannter Aufmerksamkeit, nur gestört vom Rascheln der Karten, dem Klirren von Münzen oder den gemurmelten Ansagen der Spieler.
Elliot, der unter Einsatz seines Lebens um Bedeutenderes als Geld gespielt hatte, konnte nicht umhin, das alles ein wenig lachhaft zu finden. Anfangs hatte er, der Form halber, beim Faro ein paar Einsätze getätigt, doch während der letzten anderthalb Stunden schaute er nur noch zu.
Rastlos durchschritt er den großen, eleganten Raum und erinnerte sich der vielen ähnlichen Spielsäle, die er in ganz Europa besucht hatte. Doch nicht das Glücksspiel hatte ihn dorthin gezogen. Wie konnte Cunningham nur glauben, dass er, Elliot, einen Abend wie diesen amüsant fand? Zecherei und Glücksspiel ließ ihn kalt.
Zweifellos würde Cunningham, wenn er sich vom Spieltisch erhob, erwarten, dass sie sich der dritten von Gentlemen gepflegten Betätigung widmen würden, der Hurerei – gleichfalls ein Zeitvertreib, der Elliot nicht reizte. Er war nun ein Gentleman, zwangsläufig, doch zuallererst immer noch sein eigener Herr, wie schon immer – selbst als ihm seine Uniform noch Grenzen gesetzt hatte. Elliot reichte es.
„Lieber Cunningham“, sagte er, seinem Freund auf die Schulter klopfend, „für heute hatte ich Aufregung genug. Viel Glück beim Spiel. Und bei den Damen.“
„Du hast in diesem Bereich doch das meiste Glück, Elliot. Ich kenne keinen, der beim schönen Geschlecht erfolgreicher ist als du.“
„Du darfst Erfolg nicht mit Glück verwechseln“, entgegnete Elliot lächelnd. „Gute Nacht, mein Freund.“
Nachdem er sich Hut und Handschuhe hatte aushändigen lassen, trat er hinaus auf die Straße. Er hegte starke Zweifel, dass er von seiner neuen Mitgliedschaft im Club häufig Gebrauch machen würde.
Die Nacht war kalt, klamm und nebelig; nur hier und da zwischen den Wolken ein Hauch von Mondlicht. Genau richtig für einen Einbruch, wenn es auch noch viel zu früh war, um das erneut ins Auge zu fassen.
Kinsails Diamant hatte sich als schwer verkäuflich entpuppt. Da sein üblicher Hehler mit einem so unverwechselbaren Stück nichts zu tun haben wollte, war Elliot gezwungen gewesen, in die Niederlande zu reisen. Dort hatte er den Stein, wenn auch nur unwillig, teilen lassen und erst dann weiterverkauft. Kinsail hatte damals mehr für den geschmuggelten Edelstein gezahlt. Aber die Hauptsache für Elliot war, dass Kinsail mit dem Verlust jetzt für sein Pflichtversäumnis der britischen Armee gegenüber büßte.
Nicht, dass dem Mann das klar war, so wenig wie er verstand, welchen Preis diese Armee wegen seiner Versäumnisse gezahlt hatte. Männer wie Kinsail sahen Listen, auf denen Pferde, Maultiere, Ärzte gefordert wurden. Dinge wie Geschütze, Kanonen, Gewehre auf anderen Listen wurden aber oft vorrangig gewährt. Doch was nützte die neueste Haubitze, wenn es keine Zugtiere gab, um sie aufs Schlachtfeld zu transportieren? Was nützten die besten Gewehre und Bajonette, wenn die Männer, die damit kämpfen sollten, sterbend auf dem Feld lagen, weil Pferd und Wagen
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