Historical Saison Band 20
gefühlt?“
„Manchmal“, gab sie zu. „Am Anfang. Aber jetzt nicht mehr. Außerdem habe ich mich an meine Unabhängigkeit gewöhnt und würde sie niemals freiwillig aufgeben.“
„Das verstehe ich gut, aber der Krieg in Spanien ist zu Ende.“
Die Bemerkung versetzte ihr einen Stich. Die Vorstellung, nach so langer Zeit ihren Mann wieder bei sich aufnehmen zu müssen, war ihr ausgesprochen unwillkommen. Hätte es jemals auch nur einen Hauch von Zuneigung oder Wertschätzung zwischen ihnen gegeben, auf dem sie die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft hätten aufbauen können, wäre Claudine vielleicht bereit gewesen, einen Neuanfang zu versuchen. Doch es gab kein gemeinsames Leben, keine Zuneigung − nichts, das sie aneinander band, außer einem Stück Papier. Es fiel ihr sogar schwer, sich in Erinnerung zu rufen, wie Anthony ausgesehen hatte. Nun, die Zeit würde ihn verändert haben. Er war in jeder Hinsicht ein Fremder für sie.
„Wir haben bis jetzt getrennt voneinander gelebt“, antwortete sie leise. „Ich sehe keinen Grund, weswegen wir nicht einfach damit fortfahren sollten.“
„Gewiss wären Sie nicht die Einzigen.“
„Nein.“
Dieses eine Wort verriet, wie trostlos sie war und wie verletzlich. Duval stellte fest, dass es ihn tiefer berührte, als er für möglich gehalten hätte. Die Zukunft, die sie beschrieb, war in der Tat sehr düster – eine leere Wüste ohne Liebe oder sonstige Erfüllung. Die Jahre würden ihr die Jugend nehmen und ihre Schönheit, ohne ihr dafür den Trost einer liebevollen Beziehung und Kinder zu schenken. Was für eine Verschwendung, dachte er.
„Sie könnten sich einen Liebhaber nehmen“, sagte er.
Claudine errötete. Für gewöhnlich wäre schon die bloße Andeutung eine Beleidigung für eine Dame gewesen, aber sie erkannte sofort, dass er es nicht so meinte. Er hatte seinen Vorschlag leichthin ausgesprochen, einer Frau gegenüber, die er für alles andere als eine Dame hielt. Unter den Umständen konnte sie es ihm kaum verübeln. Sich jetzt empört zu geben, wäre reine Heuchelei.
„Und vom Regen in die Traufe geraten?“ Sie schüttelte den Kopf. „Der Gedanke behagt mir ganz und gar nicht.“
Ihre Antwort erstaunte ihn, besonders da sie völlig aufrichtig klang. Er musterte sie forschend, bemerkte aber nicht die Spur von Scheinheiligkeit. Nur eine sehr anziehende Röte überzog ihre Wangen. Auch das erstaunte ihn. Irgendwie war es schwer, sich vorzustellen, dass sie ihre Freiheit nicht ausgenutzt haben sollte. Schließlich hatte er selbst die feurige Sinnlichkeit unter ihrer kühlen Fassade gespürt.
„Was werden Sie also tun?“, fragte er.
„Nach Sussex zurückkehren.“
„Zu Ihrem Gut am Meer?“
„Ja.“
„In welchem Teil von Sussex liegt es?“
„Etwa zehn Meilen von Hove entfernt.“
Einen Moment lang starrte er sie unverwandt an, und seine Eindringlichkeit entging ihr nicht.
„Kennen Sie die Gegend?“
„Ja“, antwortete er. „Ich kenne sie, bin aber seit Jahren nicht mehr dort gewesen.“
„Wie sollten Sie auch? Haben Sie vielleicht Verwandte dort?“
„Nein, meine Verwandten leben den größten Teil des Jahres in London.“ Das stimmte im Grunde, und er hatte nicht vor, ihr eine ausführlichere Erklärung zu geben. Alles andere konnte nur ein seltsamer Zufall sein. Tausende von Leuten lebten in Sussex.
Er musste allerdings zugeben, dass sie den Wunsch in ihm erregte, mehr über sie zu erfahren. Tatsächlich erregte sie ihn in jeder Hinsicht. Nie war er jemandem wie ihr begegnet. Da er mit seinem Beruf verheiratet war, beschränkte sich seine Erfahrung mit Frauen auf einige wenige. Und diese waren für gewöhnlich attraktive Geschöpfe mit einem stillen, fügsamen Wesen. Attraktiv war Claudine zweifellos, aber sonst eher streitlustig und schwierig – kurz, die ärgerlichste Frau, die er kannte. Es war gut, dass seine Bekanntschaft mit dieser frechen kleinen Person nur von kurzer Dauer sein würde.
„Vorhin erwähnten Sie, sich in England gelangweilt zu haben. Ich dachte, die Saison in London hat einer Frau viel Unterhaltung zu bieten“, sagte er.
„Bis zu einem bestimmten Punkt, aber nach einer Weile wird einem langweilig, weil sich alles wiederholt und wiederholt.“
„Dennoch scheint es ein passenderer Rahmen für eine junge Frau von Stand und Schönheit zu sein.“
„Passender nach wessen Ansicht?“
Sie sprach leise, dennoch war der angriffslustige Ton nicht zu überhören. Duval beschloss, sich der
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