Historical Saison Band 20
Herausforderung zu stellen.
„Nach der Ihres Gatten vielleicht?“
„Seine Meinung interessiert mich nicht. Er hat seit Langem jedes Recht, sich einzumischen, verwirkt.“
„Das Gesetz wäre da anderer Ansicht.“
„Das Gesetz kann sagen, was es will“, entgegnete sie heftig. „Ich werde mich von keinem Mann je wieder wie ein Stück Vieh behandeln lassen.“
Duval war fasziniert. Die Leidenschaft, die sie eben hatte durchblicken lassen, war nicht nur echt, sondern auch stark.
„Er hat Sie sehr verletzt, nicht wahr?“
„Am Anfang. Inzwischen denke ich kaum noch an ihn.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln und wechselte das Thema. „Werden Sie in London bleiben, wenn wir England erreichen?“
„Ja, eine Weile.“
„Werden Sie Ihre Familie besuchen?“
„Ich wäre nicht willkommen.“
Sie sah zu ihm auf. „Die Zeit kann vieles verändern.“
„Sie kann aber auch die Kluft vergrößern.“ Er seufzte. „Ich will nicht vorgeben, mein Verhalten wäre tadellos gewesen. Alles andere als das. Wenn ich früher zurückgekommen wäre, hätte sich vielleicht noch etwas retten lassen. Doch jetzt … Ich bezweifle es sehr.“
„Darf ich fragen, wie lange Sie abwesend waren?“
„Acht Jahre.“
„Oh.“ Sie hielt kurz inne. „Das ist eine lange Zeit.“ Wer wüsste das besser als sie.
„Eine zu lange Zeit.“
„Aber sagt man nicht, Blut sei dicker als Wasser?“
„Glauben Sie das auch?“
Sie lächelte trocken. „Nun, der verlorene Sohn wurde wieder willkommen geheißen, oder?“
„Der verlorene Sohn vielleicht, aber der verlorene Gatte nicht.“
Claudine erstarrte, sprachlos, als ihr bewusst wurde, was seine Worte bedeuteten. Die widersprüchlichsten Gefühle kämpften in ihr.
„Ich verstehe.“ Es überraschte sie, wie ruhig ihre Stimme klang.
Doch ihm war ihre anfängliche Reaktion nicht entgangen. „Die Sache ist nicht so, wie sie zunächst erscheinen mag. Meine Frau und ich haben uns schon vor langer Zeit voneinander entfremdet.“
„Das tut mir leid.“
„Unsere Ehe wurde über unsere Köpfe hinweg von unseren Familien arrangiert. Es war von Anfang an eine Katastrophe, und so gingen wir getrennte Wege.“
„Und Sie sind frei, sich woanders zu vergnügen“, sagte sie. „Wie zweckdienlich.“
Er runzelte die Stirn. „Meine Karriere hat die Stelle meiner Ehe eingenommen, und sie war eine wirklich sehr anspruchsvolle Geliebte. Selbst wenn ich die Neigung verspürt hätte, gab es nur wenig Zeit für mich, mich anderswo zu vergnügen, und ganz gewiss hätte ich es nicht mit Ihnen getan.“
„Für wie leichtgläubig halten Sie mich, Duval?“
„Was in Paris geschehen ist, war unter den Umständen unvermeidlich.“
„Was geschah, war unter den Umständen unverzeihlich.“
Er begegnete offen ihrem Blick. „Ich werde nicht vorgeben, dass ich Sie nicht gewollt hätte, Claudine. Welcher normale Mann würde das nicht? Dennoch war es nie meine Absicht, so weit zu gehen. Ich ließ mich einfach von Ihren Reizen hinreißen. Wenn ich Sie gekränkt habe, entschuldige ich mich hiermit bei Ihnen.“
Es gab so vieles, was sie ihm darauf hätte antworten können, aber nichts davon hätte überzeugend geklungen. Der Gedanke daran, wie kurz sie davor gewesen war, mit diesem Mann alles zu vergessen, erschreckte sie – noch dazu, da er sie offensichtlich für ein Freudenmädchen hielt. Entschlossen straffte sie die Schultern und sah ihm ins Gesicht.
„Was in Paris geschah, ist bedauerlich. Ich wünschte, es wäre nie passiert, aber es lässt sich nun mal nicht ändern. Jetzt möchte ich es nur vergessen.“
Er zuckte innerlich zusammen. „In dem Fall werde ich nichts tun, das Sie daran erinnern könnte.“
„Danke.“
Er antwortete nicht, sondern wandte sich zum Fenster, sodass Claudine die unverletzte Seite seines Gesichts sehen konnte. Sie hielt abrupt den Atem an. Sein starkes Profil erinnerte an das einer Marmorstatue. Wieder kam ihr der Gedanke, dass er vor seiner Verwundung so schön wie ein Apollo gewesen sein musste. Während sie ihn betrachtete, regte sich wieder eine Erinnerung in ihr. Und die hatte nichts mit Paris zu tun, sondern war sehr viel älter. Es war die Erinnerung an ein anderes Gesicht, einen anderen Ort, eine andere Zeit. Ihr Herz klopfte schneller. Aber an wen, wo und wann? Angestrengt versuchte sie die Antwort zu finden, doch auch jetzt entzog sie sich ihr und hinterließ nur eine seltsame Unruhe.
4. KAPITEL
D as Gespräch beschäftigte Duval noch
Weitere Kostenlose Bücher