Historical Saison Band 20
einige Zeit. Sein persönliches Leben war ein einziges Debakel, aber so sehr er den Gedanken auch fürchtete, das Schicksal zog ihn nach England zurück, und er würde sich ihm stellen müssen. Konnte er nach so langer Abwesenheit zurückkommen und erwarten, als Ehemann akzeptiert zu werden? Dem Gesetz zufolge gehörte seine Frau noch immer zu ihm. Wenn er wollte, konnte er sie zwingen, mit ihm zu leben. Er konnte sie zwingen, sein Bett zu teilen, seine Kinder zu gebären und seinen Befehlen zu gehorchen. Dem Gesetz nach war seine Macht uneingeschränkt.
In Wirklichkeit jedoch wusste er nicht, was er tun sollte. Er wusste nur, dass er Verantwortung trug. Zumindest musste er sich vergewissern, dass es seiner Frau gut ging, und ihr finanziell alle nötigen Mittel zur Verfügung stellen. Und mehr noch als das mussten sie ein ernsthaftes Gespräch miteinander führen. Er hatte ebenso wenig den Wunsch, mit ihr zu leben, wie sie zweifellos mit ihm leben wollte. Wahrscheinlich hatte sie schon woanders Trost gefunden. Womöglich bat sie ihn um eine Annullierung. Dann wären sie beide frei, ihr Leben nach Wunsch weiterzuführen. Und wenn er frei war, was dann? Unwillkürlich sah er zu seiner Begleiterin hinüber und seufzte insgeheim. Bevor er sein Leben in Ordnung bringen konnte, musste er zunächst die gegenwärtige Verpflichtung Claudine gegenüber erfüllen. Danach würden ihre Wege sich trennen und er könnte sich ungehindert auf seine Zukunft konzentrieren. Er hätte seine Karriere beim Militär fortsetzen können, wenn Napoleon nicht auf Elba verbannt worden wäre. Tatsächlich waren Tausende englischer Soldaten demobilisiert worden, also war ihm dieser Weg verwehrt. Auch wenn es weit von einer idealen Lösung entfernt war, schien die Arbeit für den Geheimdienst zurzeit die einzige Wahl zu sein, die ihm offenstand. Auch in der Hinsicht musste er sich noch um einige Dinge kümmern, aber das würde erst geschehen, nachdem er seine persönlichen Angelegenheiten geregelt hatte.
Und so war er nicht wenig erleichtert, als endlich das Meer in Sicht kam. Die weite Fläche graugrünen Wassers in der Ferne stellte für sie beide Sicherheit dar. Außerdem bedeutete sie, dass die Trennung von Claudine näherrückte. Duval stellte sich vor, dass ihr das nicht leidtun würde. Ihre Haltung ihm gegenüber, wenn auch höflich und angemessen, war weiterhin distanziert. Was nur zu verständlich war. Die Trennung käme ihnen beiden gelegen. Sobald er seine persönlichen Probleme geregelt hatte, konnte er um einen neuen Auftrag bitten, um sich mit der Arbeit abzulenken. Er vermutete, dass es nicht leicht sein würde, Claudine zu vergessen, und dennoch wäre auch er aus vielen Gründen froh, wenn sie England endlich erreichten.
Die Überfahrt nach St Helier wurde ohne besondere Schwierigkeiten in die Wege geleitet. Der Besitzer des Bootes war gern bereit, die Reise für einen so guten Preis zu unternehmen. Die Fahrt selbst verlief kühl, aber ereignislos. Claudine sehnte sich so sehr danach, ihr Ziel zu erreichen, dass sie die Unbequemlichkeiten auf dem kleinen Fischerboot einfach hinnahm. Während der ganzen Zeit sprach sie nur wenig mit ihrem Gefährten, einerseits, weil es nicht leicht war, sich auf so engem Raum zu ihm umzudrehen, andererseits aber auch, weil sie zu sehr in Gedanken versunken war. Auch Duval schien nachdenklich zu sein, wenn er sich nicht gerade mit Matthieu oder dem Bootsbesitzer unterhielt.
Für einen Augenblick kehrten ihre Gedanken zu jenen intimen Momenten zurück, als sie seine Hände auf ihrem Leib gespürt hatte, und trotz der Kälte wurde Claudine ganz heiß. Sie könnten sich einen Liebhaber nehmen. Hatte er damit sich selbst gemeint? Wahrscheinlich nicht, da er ihr ja klargemacht hatte, dass er es vorzog, wenn eine Frau willig war. Gewiss gab es viele, die ihm zu Gefallen sein würden, aber sie, Claudine, gehörte gewiss nicht dazu. Sie hatte sich einfach kurz mitreißen lassen, mehr nicht. Sobald sie wieder zu Hause wäre, würde sie all das hinter sich lassen. Wieder sah sie flüchtig zu Duval hinüber, aber sein Blick war unverwandt auf den Horizont gerichtet. Offensichtlich freute er sich ebenso sehr wie sie auf das Ende ihrer Reise.
Bei ihrer Ankunft machten sie sich auf den Weg zu einem Wirtshaus am Kai. Das heiße Mahl und gemütliche Feuer wärmten sie auf und ließen sie ein wenig die Müdigkeit von der langen Reise vergessen. Stattdessen fühlte Claudine sich wohl und insgeheim zutiefst
Weitere Kostenlose Bücher