Historical Saison Band 20
Anthony hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt. Sie roch den schwachen Duft nach Zedernholz an seiner Jacke und seinen ganz persönlichen Duft, der ihr schon so vertraut war. Gemeinsam mit dem Branntwein ergab es eine gefährliche Mischung.
Er beobachtete sie besorgt, und als wieder etwas Röte in ihre Wangen trat, atmete er insgeheim erleichtert auf. Einen Moment lang hatte er befürchtet, sie könnte in Ohnmacht fallen. Es sah ihr so wenig ähnlich, dass er Angst um sie gehabt hatte.
„Verzeih“, sagte er, „aber es schien besser, dich die Wahrheit mit eigenen Augen sehen zu lassen, statt sie dir einfach nur zu sagen.“
Sie packte das Glas fester. Die Wahrheit. Fast zwei Wochen lang hatte Claudia diese Wahrheit genau vor ihrer Nase gehabt, und trotzdem hatte sie sie nicht erkannt. Sie kam sich unglaublich dumm vor. Wie hatte sie so blind sein können? Er hatte sich ja sogar Antoine genannt, und Duval war Ulverdale gar nicht so unähnlich! So viele Hinweise, die sie übersehen hatte.
„Wir haben viel zu besprechen, Claudia.“
Seine Stimme holte sie in die Gegenwart zurück. „Ja.“
„Aber jetzt ist wohl nicht der richtige Zeitpunkt. Vielleicht später, sobald du Gelegenheit gehabt hast, dich zu erholen.“
Ungläubig hörte sie ihm zu. Er sprach, als könnte ein kleines Nickerchen alles bereinigen. Obwohl sie sehr versucht war, die Zuflucht ihres Zimmers aufzusuchen, würde das nicht ihre Probleme lösen. Mühsam nahm sie allen Mut zusammen.
„Ich bin kein so armseliges Geschöpf, wie du zu denken scheinst.“
„Das habe ich nie gedacht“, entgegnete er. „Aber ich weiß, was für ein Schock das für dich sein muss.“
Claudia schloss die Augen. Dieses Wort konnte nicht einmal im Ansatz beschreiben, was sie fühlte. Kühl befreite sie sich von seinem Arm und setzte sich so, dass sie ihm ins Gesicht sehen konnte.
„Wann hast du die Wahrheit erkannt?“, verlangte sie zu wissen.
„In der Herberge in St Helier, als du Oakley Court erwähnt hast.“
„Aber du hast nichts gesagt.“
„Für mich war es auch ein Schock. Ich musste zuerst meine Gedanken sammeln.“
„Und war einer dieser Gedanken vielleicht, gar nichts zu sagen?“
„Das wäre nie wirklich in Frage gekommen.“
„Warum nicht? Es hätte doch keinen Unterschied gemacht.“
Er schüttelte den Kopf. „Es macht sogar einen entscheidenden Unterschied.“
„Du hättest so weiterleben können wie bisher, und ich auch.“
„Nach allem, was in Paris geschehen ist, gibt es kein Zurück mehr, Claudia.“
„Nach Paris vielleicht nicht, aber Genet wird schon etwas anderes für dich finden.“
„Ich rede nicht von Genet, und das weißt du auch.“
Sie hob trotzig das Kinn. „Nein, ich weiß es nicht.“
„Ich rede von uns.“
„Es gibt kein Uns. Und es gab auch nie eins.“
Er seufzte. „Sicher, ich kann mein früheres Verhalten nicht entschuldigen. Auch verlange ich nicht von dir, mir zu vergeben. Das Einzige, was wir jetzt noch tun können, ist, weiterzumachen.“
„Ich sagte doch schon, ich habe mir mein eigenes Leben aufgebaut. So wie du auch.“
„Die Umstände haben sich geändert.“
„Nichts hat sich geändert, bis auf die Tatsache, dass wir uns jetzt über die Zukunft unterhalten können.“
„Das ist meine Absicht“, sagte er.
„Es gibt keinen Grund, die Dinge so weiterlaufen zu lassen wie bisher. Keiner von uns hat sich für diese Ehe entschieden, aber wir können entscheiden, was wir damit anfangen wollen.“
„Das glaube ich auch.“
Sein Gesicht blieb ausdruckslos, aber seine Worte gaben ihr eine schwache Hoffnung. „Ich weiß natürlich, dass eine Scheidung nicht möglich ist, allerdings könnte es eine Annullierung geben.“
Es kam nicht unerwartet. Anthony hatte geglaubt, darauf vorbereitet zu sein, doch als er sie jetzt die Worte aussprechen hörte, war ihm, als würde er in eiskaltes Wasser geschleudert. Bis zu diesem Augenblick war ihm nicht bewusst gewesen, wie sehr er sich insgeheim doch erlaubt hatte zu hoffen.
Als er nicht sofort antwortete, fasste Claudia Mut und fuhr schnell fort: „Unsere Ehe besteht nur auf dem Papier, wir könnten sie also aufheben lassen, und dann wären wir beide frei.“
„Frei wofür?“
„Frei, unser Leben zu leben, wie wir es wollen. Frei zu lieben.“
Seine Stimme blieb teilnahmslos. „Gibt es einen anderen Mann, Claudia?“
Ihre Wangen röteten sich heftig. „Wie könnte das sein, solange ich mit dir verheiratet bin?“
„Vielleicht
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