Historical Saison Band 20
sie, wie der Earl sich ein weiteres Glas Branntwein nahm, bevor er sich ihr gegenüber in einen Sessel setzte. Eine Weile sprach keiner von ihnen. Claudia hatte nicht vor, das Schweigen zu brechen, sondern überließ es ihm, den ersten Schritt zu tun. Tatsächlich kam er ihr eher gelassen und ruhig vor, ein Umstand, der ihre Stimmung nicht besserte. Er trank einen Schluck aus seinem Glas und stellte es beiseite.
„Und was jetzt, Claudia?“
Aus irgendeinem Grund war es schwieriger, seinen sanften Ton zu ertragen als seine Arroganz.
„Ich habe dir bereits gesagt, was ich denke. Unter den Umständen wäre es das Beste, wenn wir unsere Ehe annullieren ließen.“
„Wäre es das?“
„Das weißt du genau. Keiner von uns wollte diese Ehe. Wir sind sie nur eingegangen, weil uns keine andere Wahl blieb. Das ist jetzt anders.“
„Ja, das stimmt.“
„Es war im Grunde eine Geschäftsvereinbarung – Geld für einen Titel. Du kannst beides behalten, wenn du willst.“
„Du kannst nicht ohne die nötigen Mittel leben, Claudia.“
„Ich verfüge über alle nötigen Mittel. Ich bin die einzige Erbin meines Vaters, er hat mir alles vermacht.“
Sein Blick ruhte unverwandt auf ihr. „Ich verstehe. Dir ist aber bewusst, dass jeder Besitz einer Frau dem Gesetz nach bei der Heirat an ihren Gatten übergeht?“
Claudia blieb so gelassen, wie sie konnte. „Dem Gesetz nach gewiss, aber du besitzt jetzt mehr als genug. Wir könnten beide unserer Wege gehen und angenehm leben.“
„Angenehm? Das bezweifle ich.“
„Ich hätte dich nicht als habgierig eingeschätzt, Anthony. Bisher dachte ich, diese Eigenschaft träfe nur auf unsere Väter zu.“
Er zuckte insgeheim zusammen. „Du hast mich missverstanden. Ich bezog mich auf die wahrscheinlichen gesellschaftlichen Folgen. Dein Erbe will ich nicht. Du kannst es mit meinem Segen behalten.“
Das war ganz und gar nicht, was sie erwartet hatte, und seine Worte nahmen ihr den Wind aus den Segeln. „Danke.“ Sie holte tief Luft. „Aber auch das reicht nicht. Ich möchte auch meine Unabhängigkeit.“
„Die hast du doch bereits, oder?“
„Bis zu einem Punkt.“
„Ein Punkt, der bei Weitem alles übertrifft, was andere Frauen gewohnt sind.“
„Ich habe vielleicht andere Bedürfnisse als sie.“
„Du hast größeren Mut als die meisten“, sagte er, „und genau das hat dich an den Rand einer Katastrophe gebracht. Jetzt bin ich für deine Sicherheit verantwortlich, und ich werde dir nicht erlauben, dich wieder in derart gefährliche Situationen zu bringen.“
„Mir erlauben?“ Nur mühsam beherrschte sie sich. „Seit wann bist du um meine Sicherheit besorgt?“
„Seit man Alain Poiret festgenommen hat.“
„Ich sagte doch schon, wie dankbar ich dir für deine Hilfe bin. Doch jetzt ist Napoleon wieder auf freiem Fuße. Erfahrene Agenten werden dringend gebraucht.“ Als sie seine Miene sah, fügte sie hinzu: „Schön. Das nächste Mal werde ich um einen weniger gefährlichen Auftrag bitten.“
„Es wird keine weiteren Aufträge geben.“
„Das entscheidest nicht du.“
„Ganz im Gegenteil.“ Er bedachte sie mit einem entschlossenen Blick aus seinen blauen Augen. „Deine Zeit als Agentin ist zu Ende.“
„Was soll das heißen?“
„Ich hatte ein langes Gespräch mit Monsieur Genet, in dem ich ihm meine Wünsche deutlich machte. Seine Abteilung wird sich nie wieder an dich wenden.“
Abrupt erhob Claudia sich. „Wie kannst du es wagen, mir so in den Rücken zu fallen?“
„Ich bin entschlossen, alles zu tun, damit du nicht wieder in Gefahr gerätst.“
„Das mag ja sein, aber ich beschließe, was ich tue oder nicht, nicht du!“
„Wie ich bereits sagte – die Umstände haben sich geändert.“
Wütend funkelte sie ihn an. „Für wen hältst du dich eigentlich?“
„Für deinen Ehemann, so unbequem diese Tatsache dir auch sein mag.“
„‚Unbequem‘ drückt meine Gefühle nicht einmal annähernd aus! Deine Art, dich aufzudrängen und in alles einzumischen wie ein selbstherrlicher Monarch, perfide und hochmütig und …“
Zu ihrem Ärger blieb er gelassen. „Ich habe in der Tat unzählige Fehler, aber in diesem Fall wenigstens sind meine Beweggründe ehrenwert.“
„Deine Beweggründe sind zweifellos so selbstlos wie immer.“
„Ist es egoistisch, meine Frau von Gefahren fernzuhalten? Und von Bordellen?“
Heiße Röte überzog ihre Wangen. „Dort bin ich nur hingegangen, weil es nötig war. Genet kennt meine
Weitere Kostenlose Bücher