Historical Saison Band 20
sein.“
„Es ist eine Möglichkeit, die wir nicht außer Acht lassen dürfen.“
„Das sehe ich ja auch ein, aber ich verstehe nicht, inwiefern mich das jetzt berühren kann. Wir sind nicht mehr in Frankreich.“
„Das bedeutet nur, dass du weiter entfernt bist von der Gefahr, jedoch nicht völlig außer Reichweite.“ Er hielt inne. „Ich möchte dich nicht unnötig beunruhigen, allerdings solltest du dir dessen bewusst sein.“
Sie nickte. „Ist gut.“
„Und du musst vorsichtig sein.“
„Schön.“ Sie musterte ihn nachdenklich. „Dasselbe gilt aber doch auch für dich.“
„Richtig, aber ich bin besser in der Lage, mich zu verteidigen.“
„Ich kann ziemlich gut schießen.“
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Das glaube ich dir. Ob du allerdings immer eine Pistole griffbereit haben wirst, ist eine andere Sache.“
„Zugegeben. Also werde ich darauf achten, immer eine bei mir zu haben, wenn ich ausgehe.“
„Das wäre mir lieb.“ Wieder zögerte er kurz, bevor er fortfuhr. „Es täte mir leid, wenn dir etwas zustieße, meine Liebe.“
Etwas in seinem Ton und das vertrauliche Kosewort ließen ihr Herz schneller schlagen. Plötzlich erschien ihr das Gespräch von gestern Abend in einem ganz anderen Licht. Wie es aussah, gab es für seine Einmischung andere Gründe als die, die sie vermutet hatte. Sie war so wütend gewesen, dass solch eine Möglichkeit ihr gar nicht in den Sinn gekommen war.
„Hat Genet noch mehr über Paris sagen können?“
„Nur, dass fünf Leute verhaftet wurden. Außer uns konnten nur Lebrun und Saunière rechtzeitig fliehen. Offenbar nach Antwerpen.“
„Und die Agenten, die festgenommen wurden?“
„Werden für tot gehalten.“
Claudia erschauderte und wusste, dass sie beinahe dasselbe Schicksal ereilt hätte. Anthony drückte sanft ihre Schulter.
„Es nützt nichts, darüber nachzugrübeln.“
„Ich weiß, aber ich kann nicht anders.“ Die Wärme seiner Hand war beruhigend und gleichzeitig aufwühlend, weil sie sie an so viel intimere Liebkosungen erinnerte. Wie leicht es wäre, dieser Schwäche nachzugeben und ihm an die Brust zu sinken. Dass sie sich sogar insgeheim danach sehnte, war demütigend. Sie zwang sich zu einem Lächeln und löste sich aus seinem Griff. „Je eher ich mich wieder mit etwas beschäftige, desto besser.“
Er ließ die Hand sinken. „Da hast du sicher recht.“
„Bitte entschuldige mich.“ Claudia lief auf die Tür zu, floh regelrecht vor der Anziehungskraft, die sie zu überwältigen drohte.
„Bis später.“
Sie nickte nur, und gleich darauf war sie gegangen. Den Seufzer, den Anthony ausstieß, hörte sie nicht mehr.
Er sah ihr nach, bis sie verschwunden war, und wandte sich von der Tür ab. Wenigstens hatten sie sich dieses Mal in aller Ruhe unterhalten können, dennoch hatte sie auch während dieses kurzen Gesprächs gezeigt, wie distanziert sie war. Sie lehnte jede körperliche Berührung ab, obwohl er sie nur hatte trösten wollen.
Der Gedanke zog weitere, verstörende Gedanken nach sich. Hatte seine wunderschöne Frau in seiner Abwesenheit bei einem anderen Mann Trost gefunden? Sie hatte zwar geleugnet, sich einen Liebhaber genommen oder auch nur daran gedacht zu haben, aber die Leidenschaft, die er bei ihr entdeckt hatte, gab ihm zu denken. Sie musste viele Bewunderer haben und genoss eine Freiheit, die anderen Frauen fehlte. Außerdem hungerte sie nach Abenteuern, was sie an einige recht fragwürdige Orte trieb – darunter Madame Renauds Etablissement. Hatte diese Abenteuerlust sie auch zu heimlichen Affären verführt, in denen sie die Liebe gesucht hatte, die ihr in der Ehe verweigert worden war? Es wäre nicht das erste Mal, dass eine enttäuschte Frau eine Affäre einging. War Claudia ihm untreu? Anthony zog unwillkürlich eine Grimasse. Er wusste, dass er nicht das Recht hatte, sie zu kritisieren. Immerhin hatte er sie jahrelang allein gelassen.
Oberflächlich betrachtet schien die Atmosphäre beim Dinner an diesem Abend ein wenig entspannter zu sein. Es gelang ihm, Claudia in ein Gespräch zu verwickeln, indem er ihr Fragen über das Gut und seine Umgebung stellte. Nach dem Mahl verweilten sie noch ein wenig beim Wein.
„Fühlst du dich niemals einsam hier auf dem Land?“, fragte er.
„Nein. Ich bin es gewohnt, mir selbst Gesellschaft zu leisten.“
Ihre Antwort enthielt keinen Hauch von Vorwurf, aber er zuckte dennoch innerlich zusammen. „Wie unterhältst du dich?“
„Ich lese
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