Historical Saison Band 20
Ihr Werk bald in so ziemlich jedem Boudoir auf dem Nachtschränkchen liegen.“
Ziemlich benommen trat Deborah hinaus auf die Straße. Wenn der Mann recht hatte, würde der Gewinn aus ihrer Feder ihre Freiheit bedeuten. Sie wäre nicht mehr auf die Zuwendungen aus ihrer Witwenschaft angewiesen, dieses letzte greifbare Überbleibsel, das sie an Jeremy band. Erst diese Vorstellung machte ihr klar, wie sehr ihr diese Bindung immer noch verhasst war, obwohl sie wusste, dass ihr dieses Einkommen mehr als zustand, da es immerhin aus ihrem persönlichen Erbe stammte.
Während sie, ohne den lebhaften Verkehr wahrzunehmen, die Straße entlangschritt, ergab sie sich dem Traum von Unabhängigkeit. Echter Unabhängigkeit. Und dazu bedurfte es, wenn man Mr Freyworth glauben konnte, nichts anderem als Fantasie – ein weiterer Raubzug mit entsprechend erregenden Nachwirkungen. Das würde sie doch gewiss zustande bringen?
Drei Tage später knüllte Deborah ein weiteres Blatt zusammen, das von Durchstreichungen und Tintenklecksen nur so strotzte und kleine Löchern aufwies, wo sie, voller Wut, die Feder zu fest aufgedrückt hatte. Es gelang ihr nicht! Es gelang ihr einfach nicht! Sie schleuderte den Papierball in den leeren Kamin, stieß ihren Stuhl zurück und begann, im Zimmer auf und ab zu laufen. Hin und her zwischen dem Fenster und der gegenüber liegenden Wand, ein so oft eingeschlagener Pfad, dass der Teppich schon Spuren davon zeigte.
Ich muss Elliot aufsuchen.
Es war ja nicht so, dass sie Elliot sehen wollte. Sie brauchte einfach seine Hilfe. Er hatte ihr nicht gefehlt. Sie war nicht jedes Mal enttäuscht, wenn die Post keine Nachricht brachte oder es an der Tür klopfte und nicht er davor stand. Dabei hatte sie ihm schon vor drei Wochen Lebewohl gesagt. Offensichtlich richtete er sich ganz nach ihren Wünschen, er nahm sie beim Wort.
Natürlich suchte sie keine Ausrede, ihn doch wieder zu treffen. Auf keinen Fall. Elliot Marchmont war ein außerordentlich attraktiver Mann, aber ihre geheimen Fantasien im Dunkel der Nacht, in denen sie sich ausmalte, was er mit ihr tat, besagten gar nichts. Sie wusste sehr gut, dass zwischen Realität und Fantasie Welten lagen. Sie wollte ihn nicht, begehrte ihn nicht.
Doch sie brauchte ihn. Und wenn sie diesbezüglich nicht endlich etwas unternahm, würde sie im nächsten Winter Kinsail Manor erneut ihren Besuch abstatten müssen. Oh Gott, nein, das würde sie einfach nicht ertragen! Was bedeutete, dass sie …
Deborah nickte entschlossen, setzte sich wieder an ihren Schreibtisch und griff nach einer neuen Feder. Aber nachdem sie Elliots Namen schwungvoll aufs Papier gebracht hatte, stockte sie unsicher. Es war nicht nur wegen der Unmissverständlichkeit, mit der sie ihre Bekanntschaft beendet hatte, sondern sie war sich auch schrecklich bewusst, dass sie seine noblen Absichten für ihre eigenen Zwecke nutzen wollte. Ohne eine entsprechende Erklärung konnte sie das nicht guten Gewissens tun. Und auch mit einer solchen Erklärung bezweifelte sie heftig, das Elliot sich darauf einlassen würde.
Je mehr sie außerdem darüber nachdachte, desto eher fragte sie sich, ob Elliot sie nicht abweisen würde. Alles was dabei herauskäme, wenn sie ihn um einen Besuch bat, wäre vermutlich, dass sie während der nächsten Tage vergebens auf ihn wartete. Immerhin hatte sie ganz entschieden darauf bestanden, ihn nie wiederzusehen.
Vielleicht sollte sie ihm vorschlagen, ihn aufzusuchen? Es war sehr unüblich, sogar ungehörig, obwohl ihn das wahrscheinlich genauso wenig kümmerte wie sie. Was aber, wenn er sie abwies? Vor ihrem geistigen Auge entstand eine theatralische Szene – sie flehend auf seiner Schwelle, während er ihr kalt den Weg ins Haus versperrte. Leider konnte sie nicht darüber lachen, denn es kam ihr nicht ganz unmöglich vor.
Sie ließ die Feder fallen, da ihre Zuversicht sich verflüchtigte. Ein bekanntes Gefühl. So oft hatte sie sich aufgerafft, Jeremy zu sagen, dass sie es leid war zu tun, als führten sie eine Ehe … dass sie gehen würde, dass eine Trennung ihrer beider Elend beenden würde. Und jedes Mal, aber auch jedes Mal, hatte sie versagt, und mit jeder Niederlage war sie ein wenig mehr zerbrochen.
Ich muss meine Chance nutzen!
Sie durfte nichts dem Zufall überlassen. Sie würde Elliot persönlich aufsuchen, jetzt! Und wenn er nicht da war, würde sie es erneut versuchen. Und wenn er sie nicht sprechen wollte, würde sie sich weigern zu gehen, bis er
Weitere Kostenlose Bücher