Historical Saison Band 20
Ein weiterer Bettler. Stolze Männer, die sich erniedrigen müssen! Kannst du dir vorstellen, wie sie empfinden? Kein Wunder, dass viele ihren Familien nicht ins Gesicht schauen können. Und in der Öffentlichkeit werden sie als Vaterlandsverräter, als Trunkenbolde, als Kriminelle dargestellt.“
Die Furchen an seinen Mundwinkeln wirkten schärfer, seine Augen wild, hart. Angesichts seines Grams erschien Deborah ihr eigenes Leid plötzlich sehr banal. „Ich wusste es einfach nicht“, sagte sie schlicht. „Ich schäme mich sehr.“ Die Wahrheit war so schrecklich, dass ihr ihre vagen Gewissensbisse recht schäbig vorkamen. „Jetzt wünschte ich, wir hätten aus diesem Haus am Grosvenor Square noch mehr mitgenommen.“
Angesichts ihres Ungestüms musste Elliot unwillkürlich auflachen. „Glaub mir, der Pfau hat während der letzten zwei Jahre wesentlich mehr als das gestohlen.“
„Also führt der Pfau einen Zermürbungskrieg, ja? Oder einen Rachefeldzug?“
Deborahs Scharfsichtigkeit löste in Elliot tiefes Unbehagen aus. Er war nicht gewohnt, über seine Motive nachzudenken, und schon gar nicht, sie zu diskutieren. „Was weißt du von Rache?“, fragte er rau.
Genug, um sie zu erkennen. Deborah zögerte, erstaunt über ihren Drang, sich ihm anzuvertrauen, doch allein der Gedanke, ihr Schicksal mit dem seinen zu vergleichen, war ihr unangenehm. Außerdem warnte sie sein angriffslustiger Ton, behutsam vorzugehen. Offensichtlich dachte er, dass er schon zu viel gesagt hatte. Und das konnte sie gut nachvollziehen. „Das Bild, das wir gestohlen haben …“ Sie suchte ein leichteres Thema. „…davon wusstest du durch deine Spionagetätigkeit, nicht wahr?“
„Du hast keine Ahnung, wie viel in den höheren Stabsstellen geplündert und erbeutet wurde. Dieses Gemälde war eine Bestechungsgabe.“
Zu Deborahs Erleichterung war seine Miene nicht mehr ganz so grimmig. Sie bat ihn, ihr das näher zu erklären, und ermunterte ihn, noch mehr solche Geschichten zu erzählen. Zu ihrer Freude sah sie, dass seine Gesichtszüge sich nach und nach entspannten und auch seine Augen nicht mehr so düster wirkten.
„Ich habe viel zu viel gesagt!“ Elliot brach mitten in einer Geschichte ab, da ihm jäh klar wurde, wie viel er schon enthüllt hatte und wie wenig er bisher anderen gegenüber von seinem früheren Leben gesprochen hatte. Es fiel aber auch so leicht, mit Deborah zu reden. Wie er das einordnen sollte, war ihm nicht recht klar, denn er war zu sehr daran gewöhnt, seine Ansichten für sich zu behalten. Sein Instinkt sagte ihm, er solle den Rückzug antreten. „Ich muss gehen“, erklärte er und erhob sich.
Wie machte er es, seine Miene so plötzlich zu verschließen? Einen Anflug von Enttäuschung verdrängend, stand auch Deborah auf. „Zumindest hast du genug gesagt, um mir bewusst zu machen, wie erschreckend unwissend ich bin. Ich werde nun diese armen Bettler mit ganz anderen Augen sehen.“
Draußen senkte sich schon die Dämmerung. Elliot nahm einen glühenden Span aus dem Feuer und begann, die Kerzen auf dem Sims anzuzünden. „Ich würde gern wiederkommen“, sagte er.
Deborah biss sich auf die Lippe. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn er sich ihr nicht anvertraut hätte, wenn er ihr nicht so viele Gründe geboten hätte, die sie wünschen ließen, ihn besser kennenzulernen. Ihn zu mögen. In einer anderen Welt, einem anderen Leben, wäre Elliot der Mann, den sie lieben wollte.
Doch es war völlig abwegig, daran überhaupt zu denken. Langsam schüttelte sie den Kopf. Das Gefühl, etwas zu verlieren, war wie ein physischer Schlag in den Magen. „Ich lebe sehr zurückgezogen.“
„Ich schlage ja nicht vor, Almack’s aufzusuchen. Wir könnten eine Ausfahrt machen.“
Warum musste er es ihr so schwer machen? „Ich kann das nicht, Elliot. Ich bin vollauf zufrieden mit meiner eigenen Gesellschaft.“
„So zufrieden, dass du in Häuser einbrechen und Seile hinunterklettern musst, damit du dich lebendig fühlst?“
Deborah zuckte zusammen. „Ich dachte, du hättest das verstanden. Das war nur eine Flucht aus der Realität.“
„Ich verstehe dich nicht.“ Elliot warf den Span ins Feuer. „In der einen Minute verschlingst du jedes meiner Worte, in der nächsten bedeutest du mir, dass du mich nie wiedersehen willst.“
„Es tut mir leid. Ich dachte, du würdest nicht erwarten … ich war nicht davon ausgegangen, dass wir unsere Bekanntschaft nach gestern Nacht fortsetzen würden. Ich
Weitere Kostenlose Bücher