HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 01
klein. Joy war für ihn ein großes Mysterium, und es würde ihm gefallen, ihrem Geheimnis auf den Grund zu gehen, sofern die Zeit dafür reichte.
Dies war der Punkt, der Campion Unbehagen bereitete, denn es war bereits der fünfte Tag der Weihnacht, und es verblieben nur noch sieben. Zwar schien es Joy hier zu gefallen, doch was würde geschehen, wenn sie abreiste? Würde sie in ein Leben voll Mühsal zurückkehren? Campion stellte fest, dass er sich mehr und mehr mit ihrer nahenden Abreise und der Frage befasste, was danach sein würde.
Es war nur natürlich, dass er um das Wohlergehen seiner Gäste besorgt war, aber Joy war nicht die Sorte Frau, die Fragen über ihre private Situation beantworten würde.
Sie war sehr verschlossen, was er an ihr ebenfalls bewunderte. Und dennoch wünschte er sich, diesen Panzer zu durchdringen, mit dem sie sich umgab, und eine Nähe zu ihr zu schaffen, die niemand sonst für sich beanspruchen konnte. Er sagte sich, dass es eine väterliche Sorge war, obwohl sein Blick wie fasziniert auf ihre schmalgliedrigen Finger gerichtet war, mit denen sie ihren Läufer über das Brett bewegte.
„Sehr gut“, lobte er sie, als er sah, wo sie die Figur platziert hatte. „Ihr seid eine exzellente Schülerin.“
Das Lächeln, das sie ihm als Antwort schenkte, raubte ihm fast den Atem, sodass er rasch einen Zug machte und sich dann wieder zurücklehnte, um auf Abstand zu ihr zu gehen. Aber Joy beugte sich nur noch weiter vor und sprach mit so gesenkter Stimme, dass er sich ebenfalls vorbeugen musste, um etwas verstehen zu können.
„Da Ihr so entschlossen seid, mir all diese Spiele beizubringen, die Euch so gut gefallen, frage ich mich, ob es nicht womöglich noch ein anderes Spiel gibt, das Ihr mich lehren könntet und das uns beiden noch mehr Vergnügen bereiten würde“, flüsterte sie mit rauer Stimme, bei der Campion sofort Hitze in sich aufsteigen spürte. Doch er räusperte sich und ging über ihren eindeutigen Vorschlag hinweg.
„Achtet auf Eure Dame“, gab er mit belegter Stimme zurück, ohne ihr in die Augen zu sehen, die unter ihren dichten Wimpern unergründlich tief erschienen. Sosehr er sich auch dagegen zu wehren versuchte, wurde er von unziemlichem Verlangen heimgesucht, sobald Joy in seiner Nähe war. Wenn er sie nicht sah, dann drehten sich alle Gedanken nur um sie, und das auf eine höchst unangemessene Weise. Ihre Anspielungen machten das nur noch schlimmer, was bei ihm eine ohnmächtige Wut auf sich selbst nach sich zog.
Er hatte seine beiden Ehefrauen geliebt. Als er das erste Mal heiratete, war er noch sehr jung gewesen. Wesentlich reifer war er, als er dann mit Anne die Ehe einging.
Doch er konnte sich nicht erinnern, dass eine Frau ihn jemals so aus der Fassung gebracht hätte. Seine Ehefrauen waren beide sehr sanftmütig gewesen, ganz anders als Joy, mochte sie auch noch so zerbrechlich wirken. Hinter ihrem gelassenen Blick verbarg sich ein feuriger Geist mit einem stählernen Kern. Eine ideale Ehefrau für jeden Mann, dachte Campion, ehe er sich wieder unter Kontrolle bekam.
Offenbar gab es bereits zu lange keine Frau mehr an seiner Seite. Und tatsächlich hatte es seit seinem letzten Besuch am Hof niemanden mehr gegeben, da er nicht der Meinung war, dass man Frauen benutzen sollte, um sein Verlangen zu stillen.
Zudem wollte er kein schlechtes Vorbild abgeben, dem seine Söhne nacheifern könnten. Und doch hatte Joy etwas an sich, das ihn all seine Vorsätze fast vergessen ließ. Er fühlte sich wie ein liederlicher Junge, was mehr Stephens Wesen denn seinem eigenen entsprach. Obwohl er fand, man sollte sich sein Leben nicht von seiner Leidenschaft bestimmen lassen – weshalb er ein solches Verlangen auch seit Langem unterdrückte –, kam es ihm nun so vor, als wollten seine Gelüste die Jahre der Enthaltsamkeit so bald wie möglich nachholen. Und zwar mit Joy.
Es war ärgerlich … und auch ein wenig aufregend.
„Schach“, sagte sie, da sein König in Gefahr war.
Überrascht hob Campion den Kopf und sah ihr listiges Lächeln. Natürlich bezog sie sich damit auf die Schachpartie, doch aus einem unerfindlichen Grund hatte er den Eindruck, dass ihre Warnung in Wahrheit auf etwas ganz anderes gerichtet war.
Stephen betrachtete die idyllische Szene vor dem Kamin und wandte sich nachdenklich zu seinem Bruder um. „Sie bringt ihn völlig aus der Fassung“, murmelte er.
„Wen? Vater?“ Reynold stieß einen Laut aus, der ein Lachen darstellen
Weitere Kostenlose Bücher