HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 01
sprang er nicht wie die übrigen Mitspieler laut rufend umher, um sie auf sich aufmerksam zu machen. Campion würde sich wie immer würdevoll verhalten.
„Ihr seid auf dem Weg in die Küche, Mylady!“, rief ihr jemand zu, und tatsächlich bemerkte sie das Aroma der verschiedensten Speisen, das ihr von dort entgegenschlug. Ihre ausgestreckten Finger berührten etwas, was der Oberkörper eines Mannes zu sein schien. Doch was sie ertastete, kam ihr zu zart und sanft vor, als dass es der Earl hätte sein können. Sein Körper war nicht sanft, ganz anders jedoch sein Wesen, das von Güte, Ehre und Sanftheit geprägt war. Die anderen lachten und johlten, als sie an dem Mann vorbeiging. Als Nächstes ertastete ihre Hand den hölzernen Wandschirm, der am Ende des Saals nahe dem Eingang zur Durchreiche und zur Küche stand.
Dort angekommen blieb sie stehen, als ihr ein markantes Aroma auffiel, das sie das Spiel und seine lärmenden Mitwirkenden vergessen ließ. In der Dunkelheit, durch die sie sich wegen der Augenbinde bewegte, gab es nur sie und den Mann, nach dem sie suchte und dessen Duft sie so gut kannte wie ihren eigenen. Sie konnte seine Gegenwart spüren, seine Kraft, und sie konnte ihn riechen – die saubere Kleidung, dazu die würzige Seife, die er und nur er benutzte. Deren Duft war ihr schon zuvor im Saal aufgefallen, als sie ihn das erste Mal geküsst hatte, und nun steuerte sie zielstrebig auf die Quelle dieses Aromas zu.
Joy nahm den Lärm der Menge wahr, aber es war nur eine leicht störende Geräuschkulisse, da sie sich ganz auf den Earl konzentrierte. Noch ein Schritt weiter, dann fühlte sie bereits die von ihm ausgehende Hitze. Sie hob die Hände und legte sie auf seine breite Brust, blieb stehen und wünschte sich, sie könnte für immer so verharren. Und dann hatte sie den Wunsch, er möge sie in seine Arme schließen und festhalten, um sie nie wieder loszulassen.
Jemand nahm ihr die Augenbinde ab, aber Joy rührte sich nicht von der Stelle. Von ausgelassenen Rufen begleitet ging das Spiel mit einem anderen Opfer weiter, während Joy Campion mit sich hinter den mit Schnitzereien verzierten Wandschirm zog, wo sie beide vor neugierigen Blicken sicher waren.
Dort im schützenden Schatten versuchte sich Joy an einem neuen Spiel, einem, das ihr viel lieber war. Mit den Fingern strich sie über seine Wange und vergrub sie in seinem Haar, wobei er reglos dastand und sie mit seinen braunen Augen eindringlich ansah.
Von der längst vertrauten Wärme abgesehen, die sie in seiner Nähe verspürte, nahm Joy noch etwas wahr, etwas so Wundervolles, dass sie fast vor Freude zu weinen begann, da es so unglaublich schön war, ihn berühren zu dürfen. Plötzlich erinnerte sie sich an Roesias Warnung, doch sie fragte sich, ob es nicht bereits zu spät war, darauf zu hören. Schließlich war ihr dieser Mann längst viel zu wichtig.
Ohne weiter nachzudenken stellte sich Joy auf die Zehenspitzen und drückte ihren Mund sanft auf seinen, was sich noch viel wunderbarer anfühlte, als sie es in Erinnerung hatte. Es war ein erforschender Kuss, ein begrüßender Kuss, den er angemessen erwiderte, sodass Hitzewellen durch ihren Körper liefen und sie dazu brachten, die Arme um Campion zu schlingen und sich an seiner Kraft festzuhalten.
Nach kurzem Zögern küsste Campion sie auf den Mundwinkel, die Augenlider und die Brauen und ließ seinen Mund an ihrem Kinn entlangwandern. Dabei murmelte er ihren Namen in einem Tonfall, den sie nie zuvor gehört hatte. Es war ein Flüstern, das von Ehrfurcht und Begierde geprägt wurde. Joy reagierte darauf, indem sie ihren Körper willig gegen ihn drückte und ihn ungestüm küsste. Dabei entging ihr nicht, wie seine erregte Männlichkeit unter dem Stoff gegen ihren Bauch drückte, und sie wollte nichts weiter, als ihn ganz zu fühlen.
„Lasst uns in Eure Gemächer gehen“, drängte sie ihn und rang nach Atem, aber im nächsten Augenblick spürte sie, dass er seine Leidenschaft hinter der gewohnt distanzierten Fassade verschwinden ließ. Sie stieß einen Protestlaut aus, dennoch schob er sie von sich. Sogar hier im Schatten konnte sie das Funkeln in seinen Augen erkennen, das Weisheit und zurückgehaltenen Eifer verriet.
„Es wäre nicht richtig“, erwiderte er.
„Aber ich begehre Euch. Ihr … Ihr bedeutet mir viel“, beharrte sie.
Als er ihr zögerlich ausgesprochenes Geständnis hörte, nahm seine Miene einen sanfteren Zug an, und er streckte einen Arm aus, um in einer
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