HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 02
zehn Jahre über das heiratsfähige Alter hinaus. Aber das machte nichts. Wenn sie ihn eifersüchtig machen wollte auf ihre imaginären Liebhaber, die sie angeblich vor ihm gehabt hatte, dann würde er ihr den Gefallen tun. Er würde von ihr fordern, dass sie diese Schurken vergaß und sie alle für unwürdig ihrer strahlenden Gunst erklären. Er lächelte auf sie hinunter und strich dann zärtlich mit den Lippen über ihre Wange.
„Mmm“, brummelte sie und hob die Hand, um ihn zu verscheuchen. Ihre Lider zitterten. Dann schlug sie die Augen auf. „Was … oh!“
Ian beobachtete, wie sie den Schlaf fortblinzelte. „Es ist Morgen“, sagte er und deutete mit dem Kopf zum Fenster hin. Die Sonne fiel herein, sprenkelte den Boden und den Teil vom Bett, der nicht von den Vorhängen beschattet wurde.
Hastig setzte Juliana sich auf und versuchte, ihr Kleid zu richten, das sich fest um sie gewickelt hatte. „Ich muss gehen! Warum hast du mich so lange schlafen lassen?“
Wieder seufzte er, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er genoss ihren von der Liebe und vom Schlaf zerzausten Anblick. „Ich bin doch selbst erst vor ein paar Augenblicken wach geworden. Weshalb machst du dir Sorgen? Wir sind so gut wie verheiratet. Keiner wird etwas dabei finden, dass du hier geschlafen hast.“
Ihre Augen schienen sich vor Entsetzen zu weiten. „Wir sind nicht so gut wie verheiratet! Noch nicht einmal verlobt, und wir werden es nie sein!“
Ian lachte leise. „Ein bisschen spät, um zu protestieren, meinst du nicht? Ich glaube, unsere Hochzeit ist beschlossene Sache. Ich werde dir ein guter Ehemann sein, Juliana. Ich liebe dich wie kein anderer …“
Ihre Hände verhielten auf ihrer Taille, wo sie versucht hatten, ihr zerknittertes Kleid zu glätten. „Warum, Ian? Warum willst du eine wie mich zur Frau nehmen? Ich kann dir noch nicht einmal meine Unschuld bieten …“
„Nun, die habe ich bereits“, sagte er weich. „Ein liebevoll gehütetes Geschenk, nicht dass du dich da irrst.“
Eine ganze Zeit lang suchte sie seinen Blick. Dann sah sie in ihren Schoß und schüttelte langsam den Kopf. Ihre Stimme war nur noch ein schmerzliches Flüstern. „Meine Verstellung war also zwecklos.“
„Sie funktionierte außerordentlich gut, soweit sie mich betraf“, versicherte Ian ihr zärtlich. „Nie werde ich mich für eine andere Frau interessieren, mein ganzes Leben lang nicht. Soll ich dir das versprechen? Ich tue es.“
Mit einer plötzlichen Bewegung, die ihn erschreckte, warf sie stöhnend die Hände in die Luft. „Oh mein Gott, es gibt keine Hilfe für mich! Ich sehe, ich muss dir die Wahrheit sagen. Du willst mir noch nicht einmal einen Rest meines Stolzes lassen, nicht wahr?“
„Was meinst du?“, fragte er. Sie schien so aufgewühlt. Ian konnte es nicht ertragen. „Welche Wahrheit?“
„Ich besitze nichts“, erklärte sie. „Kein Geld und kein Land, das ich meine Mitgift nennen könnte. Bist du nun zufrieden, da ich meine Schande eingestanden habe? Bin ich tief genug gesunken, um zu dir zu passen? Ich bin nichts wert!“
Ian richtete sich auf. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Einen Moment lang brachte er kein Wort heraus, doch sein Gesichtsausdruck musste ihr seine Bestürzung verraten haben.
„Und du brauchst meine Mitgift, nicht wahr?“, fragte sie ernst. „Du hast darauf gebaut.“
Ian schluckte schwer und wünschte, er hätte es verneinen können. Stattdessen schwieg er.
„Ich habe nichts, das ich in die Ehe mitbringen kann“, sagte Juliana. „Selbst wenn ich heiraten wollte, ich kann es nicht.“
Unfähig, sich ihrer stolzen Ehrlichkeit oder seiner eigenen Enttäuschung zu stellen, räusperte er sich und blickte zur Seite. Seine Stimme klang ihm fremd in den Ohren, ohne jedes Gefühl, obwohl seine Gefühle in seinem Innern sich wanden wie Aale in einem Korb. „Hast du deswegen gelogen? Du wolltest ohne eine Mitgift nicht heiraten?“
„Ja“, gestand sie leise, „das ist der Grund. Aber du konntest mir meine Würde nicht lassen oder dir diese Peinlichkeit ersparen.“ Sie hob den Arm. Es war eine Geste der Hilflosigkeit. „Selbst das ärmste Bauernmädchen besitzt irgendeine Mitgift, oder sie heiratet nicht.
Du weißt, dass das Gesetz ist, Ian, eine der Bedingungen in einem Heiratsvertrag – die Zustimmung der Kirche und des Vormunds, Einverständnis der Verlobten und eine Mitgift. Nun, ich besitze nichts, noch nicht einmal eine Ziege oder ein Schwein
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