HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 02
geben, die Dinge unnötig zu beschleunigen. Falls Honoria jetzt oben war und Juliana Wein aufdrängte, wie es Alan bei ihm tat, dann, so fürchtete Ian, würden er und seine Zukünftige morgen vielleicht schon verheiratet aufwachen. Eine Heirat – gar nicht zu reden von einer Hochzeitsnacht – beging man sicher am besten im nüchternen Zustand.
Außerdem hatte er noch einen anderen sehr guten Grund, bei seinem Entschluss zu bleiben. Nicht lange, und er würde einen faszinierenden Gast in seiner Kammer haben.
Ian tat, als müsste er ein Gähnen unterdrücken. „Ich glaube, ich werde jetzt mein Bett aufsuchen“, sagte er mit einem Nicken in Richtung Treppe. „Morgen früh werden wir ausführlicher darüber reden.“ Bevor Alan widersprechen konnte, eilte Ian davon.
Voller Unruhe umklammerte Juliana ihre Ellbogen, während sie in ihrem Gemach auf und ab ging. In was war sie da hineingeschlittert? Ian hatte sie dazu überredet, aber sie musste gestehen, dass sie nichts getan hatte, um es zu verhindern.
Sie würde zu ihm gehen, denn sie hatte die Herausforderung angenommen. Und sie musste ihm beweisen, dass sie nicht die Sorte Frau war, die er als Ehefrau für sich suchte. Ein paar heiße Küsse, so wie der, den sie im Garten getauscht hatten, und dann vielleicht noch ein paar verbotene Berührungen, das würde sicher genügen. Doch allein bei dem Gedanken daran erschauerte sie erwartungsvoll.
Juliana konnte nicht sagen, dass sie sich davor fürchtete, Ian gewisse Freiheiten zu erlauben. Er heizte ihr Blut an. Sie wäre eine Närrin, wenn sie das nicht zugäbe, zumindest sich selbst gegenüber. Ihre Küsse hatten sie beinahe all ihre Kraft gekostet. Gott sei Dank konnte sie sich jetzt gegen sie wappnen, weil sie die Wirkung kannte, die sie auf sie hatten. Dieses Mal würde Ian Gray sie nicht unvorbereitet finden.
Seine Annäherungsversuche, wenn sie erst einmal bei ihm war, würden kein halb so großes Problem darstellen wie die Frage, auf welche Weise sie ohne Zwischenfall in seine Kammer gelangen könnte. Wenn sie diese Treppe hinunter und jene hinaufging, die zu Ians Kammer führte, würde Alan, noch bevor sie Zeit hatte, an Ians Tür zu klopfen, bereits wissen, wo sie hinging. Würde ihr Cousin dann auf eine Heirat bestehen? Hatte Ian es so geplant?
Nein, er hatte keine Zeit gehabt, so einen Plan auszuhecken. Er hatte die Herausforderung spontan ausgesprochen. Trotzdem, Ian würde sie durch das Vorhaben heute Nacht so kompromittieren, dass sie keine andere Wahl hatte, als seinen Antrag anzunehmen, sollte irgendjemand davon erfahren.
Wenn sie jetzt wankelmütig wurde und in ihrer Kammer blieb, würde er wissen, dass sie in Bezug auf ihre Erfahrungen gelogen hatte. Dann würde er weiterhin versuchen, sie zu einer Verlobung zu überreden. Wenn sie jedoch zu ihm ging – wie sie zugesagt hatte – und ihn von ihrem Mangel an Moral überzeugen konnte, dann hätte die Sache ein für alle Mal ein Ende. Er hatte es versprochen.
Sie würde gehen müssen, quer über das Burggelände zum gegenüberliegenden Turm. „Dann besser den Weg über die Mauer“, murmelte sie vor sich hin. Selbst das barg ein Risiko. An jedem Eckturm standen Wachen auf den Zinnen. Sie würden es sicher Alan melden, wenn sie sie heute Nacht direkt unter sich auf der Mauer sähen.
Ihre Absicht war es, Ian glauben zu machen, dass sie eine Buhlerin war, aber es ging nicht an, dass auch alle anderen so dachten. Sie würde weiterhin hier leben müssen, wenn Ian fort war. Irgendwie musste sie zu dem gegenüberliegenden Turm kommen, ohne dabei beobachtet zu werden.
Juliana nahm den dunklen, wollenen Umhang vom Haken und wollte ihn sich um die Schultern legen.
Das Klopfen an ihrer Tür überraschte sie. War Ian hier her gekommen? Das würde er sicher nicht tun! Sie beeilte sich, den Riegel zurückzuschieben.
„Oh! Honoria“, sagte sie, als sie sah, wer vor ihr stand. „Ich wollte gerade zu Bett gehen.“
„In deinem Mantel?“, fragte Honoria und blickte mit hochgezogenen Brauen auf den Umhang über Julianas Arm.
Juliana lachte und legte den schweren Mantel auf das Bettende. „Nein, er fiel nur vom Haken, und ich war gerade dabei, ihn wieder aufzuhängen. Möchtest du mit mir sprechen?“, fragte sie in der Hoffnung, Honoria damit von weiteren Fragen abzulenken.
„Ich bringe dir etwas Gewürzwein.“ Honoria trat mit einem Krug in der Hand ein. „Ich weiß, dass du entsetzlich müde sein musst von all deinen Anstrengungen heute. Das
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