Historical Weihnachten Band 6
ihre Kammer und sorge dafür, dass niemand ihren Schlaf stört.“
Nachdem die Magd sie fortgeführt hatte, sank Benedick wieder auf den Stuhl und starrte in die Flammen. Der Saal leerte sich langsam, er hörte, wie die Diener ihre Betten für die Nacht vorbereiteten. Auf ein Nicken hin löschte Alard die Kandelaber und legte sich auf eine der Bänke. Endlich belästigte der Bengel ihn mal nicht mit Fragen oder Bemerkungen.
Selbst im fahlen Licht des Kamins, in dem der Julklotz noch immer brannte, konnte er die Zweige erkennen und die Düfte der Kräuter und Beeren riechen. Doch ohne Noels Zugegensein hatte der Saal alles Feierliche verloren. Er war bloß noch ein Raum, düster und öde und leer.
Benedick sog scharf die Luft ein, als die Erinnerung an seinen Traum zurückkehrte. Seine Brust zog sich zusammen, als er darüber nachsann, welche Vorhersehung dieser Traum sein könnte. Noch tief in der Nacht, als alle anderen längst schliefen, saß er da und überdachte seine Vergangenheit, seine Gegenwart und seine Zukunft.
Ihm wurde klar, dass er sich auf Longstone verschanzen konnte mit all seinen Narben und seinen Erinnerungen. Oder aber er könnte zu dem Mann in seinem Traum werden. Er könnte Noels Gatte werden und der Vater dieser Kinder – und dieses Leben mit der Kraft und Energie angehen, die er in der Schlacht verloren geglaubt hatte.
Und für einen langen Moment, dort in der Dunkelheit, wünschte er sich, dass dieser Wunsch sich erfüllen würde.
7. KAPITEL
N oel stolperte völlig verwirrt in ihre Kammer. Den ganzen Tag über hatte sie ihren gesamten Mut zusammengenommen in der Erwartung, in dieser Nacht ihre Unschuld zu verlieren. Doch der Mann, den sie verführen wollte, hatte sie auf eine ganz seltsame Art zurückgewiesen. Hatte sie Benedick zu betrunken gemacht? Noel wusste nicht viel über die Auswirkungen von Wein, denn ihr Vater hatte nur wenig getrunken. Und was sollte dieses Geschrei über ihren Gatten?
„Ist alles in Ordnung, Miss Noel?“, fragte Catherine. „Ihr seht ganz blass aus. Hier, setzt Euch.“
„Es geht mir gut“, antwortete Noel. Sie sank auf die Bettkante und dachte daran, dass sie die Nacht ganz woanders hatte verbringen wollen. Der Gedanke brachte sie fast zum Schluchzen, und sie räusperte sich, um ihren inneren Aufruhr vor Catherine zu verbergen.
„Lasst mich Euch beim Entkleiden helfen“, sagte das Mädchen, und Noel nickte. Catherine war die Tochter des alten Verwalters ihres Vaters. Nachdem Catherines Vater früh gestorben war, war sie mit im Haushalt aufgewachsen. Sie war noch nicht fünfzehn, doch schon sehr verantwortungsbewusst, und Noel hatte sie gern mit nach Longstone gebracht. In letzter Zeit war ihr aufgefallen, dass der Blick der Magd häufig auf Benedicks neckischem Knappen ruhte, und sie konnte nur hoffen, dass Alard ihr nicht das junge Herz brach.
Der Gedanke brachte ihr die eigenen Schwierigkeiten in Erinnerung, und Noel erschauerte, als Catherine die Decke über sie zog. In ihrem eigenen Bett. Allein. „Ich hole eine Pritsche und schlafe neben Euch“, sagte das Mädchen und musterte sie besorgt.
„Nein! Geh schlafen. Mit geht’s gut.“
„Aber Sir Villiers hat gesagt, ich soll dafür sorgen, dass niemand Euch stört. Vielleicht stelle ich einen Stuhl vor Eure Tür und sitze dort ein Weilchen.“
„Von mir aus, aber du solltest dich besser ausschlafen, denn morgen ist … ein weiterer Feiertag.“ Noel versagte die Stimme.
„Seid Ihr wirklich ganz sicher?“
„Ja. Geh nur“, drängte Noel. Sie schloss die Augen, wartete, bis die Tür zufiel, dann drückte sie das Gesicht in die Kissen. Doch sie weinte nicht, weil sie befürchtete, dass Catherine sie hören konnte.
Endlich setzte Noel sich auf, schlang die Arme um die Knie, fassungslos und enttäuscht. Ihr Vorhaben, Benedick zu verführen, war gründlich schiefgegangen, und nun blieb ihr nur noch ein einziger Tag bis Dreikönig. Ein Tag, an dem sie irgendwie irgendein Wunder herbeiführen musste, sonst …
Sonst würde ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen.
Noel unterdrückte ein Schluchzen und kam zu dem Schluss, dass sie der Wahrheit ins Gesicht sehen musste. Sie hatte um ihre Zukunft gespielt und verloren. Vielleicht hatte Benedick recht, und sie war eine Närrin, wenn sie an Weihnachtswünsche glaubte. Vielleicht hatte auch ihre Mutter falschgelegen, und so etwas wie Weihnachtszauber gab es gar nicht. Vielleicht war die ganze Weihnachtszeit nur ein Schwindel, um einen Grund
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