Historical Weihnachten Band 6
gelangt, dass sie mit ein wenig mehr Freundlichkeit und Feingefühl besser dagestanden hätte?
Deshalb grüßte sie Sir Myles nun mit einem Lächeln. Er jedoch blickte starr an ihr vorbei.
„Ich bin so froh, dich zu sehen, liebste Freundin!“ Wie lange hatte sie diese Stimme schon nicht mehr gehört! Cecily klang immer wie ein kleines Mädchen, wenn sie aufgeregt war. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert, bis auf …
„Lass dich ansehen“, rief Giselle. „Sag, trägst du ein Kind?“
Cecily strahlte. „Ja, man sieht es schon, nicht wahr? Bernard ist außer sich vor Freude und läuft herum wie ein stolzer Gockel. Ich muss ihm mindestens einmal am Tag erklären, dass ich auch meinen Teil daran habe. Aber Männer sind eben so.“ Und mit einem schelmischen Seitenblick auf Sir Myles fügte sie hinzu: „Es wird nicht lange dauern, und du weißt, wovon ich rede.“
Kaum vorstellbar, aber irgendetwas musste er mit Cecilys Besuch zu tun haben. War es etwa seine Idee gewesen, sie hierherzuholen? Und warum besaß er dann nicht einmal genug Anstand, den Gruß zu erwidern, den Giselle ihm dargeboten hatte? Stattdessen warf er einem Stalljungen die Zügel seines Pferdes zu und sprang mit geschmeidigen Sätzen die Treppe zum Eingang hoch.
Cecily schob Giselle hinter ihm her zur Treppe. „Du musst mir einfach alles über Sir Myles erzählen! Er sieht so umwerfend gut aus, und man kann ihm einfach nicht widerstehen. Er war wild entschlossen, mich zu dir zu bringen, ich hatte überhaupt keine Wahl.“
„Ich habe ihm erzählt, dass ich große Sehnsucht nach dir habe.“
„Und ich nach dir! Ich wollte dich schon so lange besuchen, aber immer ist etwas dazwischengekommen. Ich war so mit meinen neuen häuslichen Pflichten beschäftigt, damit, die Bediensteten einzuweisen und die Pächter kennenzulernen. Wir sind auch oft nach London gereist und haben so viele Höflinge kennengelernt – ach, ich muss dir so viel erzählen!“
„Und ich dachte die ganze Zeit, Bernard würde dir nicht erlauben , mich zu besuchen.“
Cecily lachte. „Nicht erlauben? Ach du meine Güte, ich sehe schon, dass du noch keine Ahnung hast von der Beziehung zwischen Mann und Frau, meine liebe Freundin. Natürlich hätte er mich nur widerstrebend allein reisen lassen, er ist immer so besorgt um mich, so fürsorglich und liebevoll. Und da er sich nur ungern von seinem Zuhause entfernt, aber genauso traurig ist, wenn wir nicht zusammen sind, bin ich eben auch zu Hause geblieben. Glaube mir nur, meine Liebe, Bernard gibt sich große Mühe, damit es mir an nichts fehlt. Einen besseren Ehemann könnte ich mir gar nicht wünschen.“
War also alles nur Selbsttäuschung gewesen? Seitdem sie Cecily das letzte Mal gesehen und in der Folgezeit nicht einen einzigen Brief von ihr erhalten hatte, war Giselle nur allzu bereit gewesen, Cecilys Ehemann dafür verantwortlich zu machen. Und nun erfuhr sie, dass sie sich getäuscht hatte. Gleichzeitig begann sie zu verstehen, dass eine jung verheiratete Frau geneigt sein konnte, ihre alten Freundinnen für den Ehemann zu vernachlässigen.
Inzwischen hatten sie die Eingangshalle der Burg erreicht, und während sie ihren Umhang einem der Diener gab, entdeckte Giselle Sir Myles in einer Nische. Gern wäre sie zu ihm hinübergegangen, und sei es nur, um ihm zu versichern, wie sehr sie sich über seine Rückkehr freute.
Cecily jedoch ergriff sie beim Arm und zog sie weg. „Ich kann es kaum erwarten, alles von dir zu erfahren. Erzähle mir, wirst du Sir Myles heiraten? Hat er um dich geworben? Was sagt dein Onkel? Ach, Giselle, ihr wäret so ein schönes Paar! Kein Mann im ganzen Königreich sieht so gut aus wie er! Und noch dazu weiß er sich zu benehmen, ist höflich, allerdings auch ein wenig wortkarg. Wenn überhaupt, dann hat er auf dem ganzen Ritt hierher gerade einmal zwei Worte mit mir gesprochen.“
Nun, wenn seine Begleiterin so unaufhörlich plappert wie die gute Cecily, dann sind sogar zwei Worte schon ein Triumph, dachte Giselle. Ihre Freundin blieb abrupt stehen und drückte sie an sich.
„Ich bin so glücklich, dich wiederzusehen, Giselle. Wie habe ich dich vermisst! Weißt du noch, welche Streiche wir uns immer ausgedacht haben? Einmal wollten wir uns als junge Burschen verkleiden und aus der Burg schleichen.“
Ja, Giselle erinnerte sich. Zwei junge Mädchen, die wie Pech und Schwefel zusammenhielten und deren Freundschaft der harten Disziplin trotzte, der sie bei Lady Katherine
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