Historical Weihnachten Band 6
wünsche mir Kinder von Euch.“
Er beugte sich zu Giselle hinab und küsste sie, zärtlicher und liebevoller als beim ersten Mal im Gemach ihres Onkels. Seiner festen, leidenschaftlichen Umarmung zu widerstehen war ihr unmöglich, und auf einmal schien es so leicht, sich ihm hinzugeben und seine Berührung zu genießen, ihm nachzugeben und seine Frau zu werden.
War sie denn nicht bereits in ihn verliebt? War es nicht längst zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen? Aber was dann? Warte noch! mahnte eine innere Stimme, und sie wand sich vorsichtig aus seiner Umarmung.
„Bitte, Sir Myles, ich …“
„Immer noch nicht überzeugt von meiner Aufrichtigkeit? Oder habt Ihr das Gefühl, ich verdiene Euch nicht?“
„Ich weiß nicht, ich …“
„Genug!“, unterbrach er sie brüsk und trat einen Schritt zurück. „Ich habe es wirklich versucht, habe an Euch appelliert, war so geduldig, wie ich es nur sein konnte, aber ich ertrage es nicht, der Spielball Eurer Launenhaftigkeit und Wankelmütigkeit zu sein!“ Seine Stimme war so kalt wie der Schnee unter ihren Füßen. „Zumal unsere Verbindung bereits beschlossene Sache ist!“
„Sir Myles, bitte wartet“, rief Giselle, doch er hatte sich bereits umgedreht und die Zügel seines Pferdes ergriffen.
„Keine weiteren Diskussionen mehr, wir haben genug geredet“, sagte er mit einem kurzen Blick über die Schulter, während er schon den Fuß im Steigbügel hatte. „Ich bin kein dummer Junge, den Ihr wie einen Fisch an der Angel zappeln lassen könnt. Wenn Ihr findet, Myles Buxton habe Euch nicht verdient, bitte sehr. Es gibt genügend Frauen in diesem Land, die mich ihrer durchaus als würdig erachten. Und nun steigt auf, ich bringe Euch zurück zu den anderen. Aber ohne Gezeter, bitte!“
Einen Augenblick lang war Giselle wie gelähmt, nicht nur wegen seines rüden Tons und seines herrischen Auftretens, sondern wegen des lodernden Zorns in seinen Augen.
„Wenn Ihr es darauf anlegt, reite ich auch ohne Euch“, setzte er nach und schwang sich geschmeidig in den Sattel. Bestimmt würde er das, machte allerdings auch keine Anstalten, ihr beim Aufsteigen zu helfen.
Giselle raffte ihr Reitkleid bis zur Schicklichkeitsgrenze hoch, stieg in den Sattel und ließ ihre Stute antraben, ohne auf ein Zeichen von Sir Myles zu warten. Sie kannte die Wege besser als er und ritt schweigend voran, bis sie die Gruppe der anderen Reiter eingeholt hatten. Reden konnte sie ohnehin nicht; beim ersten Wort wäre sie in Tränen ausgebrochen.
7. KAPITEL
S tundenlang hatte Giselle sich schlaflos in ihrem Bett gewälzt, und nun brach er an, der elfte Tag nach Weihnachten. Nervosität angesichts der Feier zum Dreikönigstag, die zugleich auch die Abreise der Gäste einleitete, hatte sie in dieser Nacht nicht zur Ruhe kommen lassen.
Was ihr am Anfang noch als willkommene Herausforderung erschienen war, begann im Laufe der Zeit immer mehr an ihren Kräften zu zehren. Giselle war erschöpft von der Arbeit und zermürbt von den Gedanken, die sie sich um Sir Myles machte. Tagsüber stürmte glücklicherweise zu viel an Ablenkung auf sie ein; aber nachts und in den frühen Morgenstunden verfiel sie in quälende Grübeleien.
Immer wieder sagte sie sich, dass die Leere, die sich allmählich in ihr ausbreitete, nichts mit Sir Myles’ Abwesenheit zu tun hatte. Seine plötzliche Abreise konnte nur ein weiterer Beweis dafür sein, dass er nichts anderes im Sinn gehabt hatte als die Unterzeichnung des Ehevertrages. Giselle selbst war ihm dabei nicht wichtig gewesen, also konnte er sich auch nicht persönlich gekränkt fühlen. Er hatte kaum Anstrengungen unternommen, sie wirklich kennenzulernen und zu erfahren, wer die Frau war, um deren Hand er allein aus wirtschaftlichen Gründen angehalten hatte.
Gut, sie war am Anfang auch nicht viel besser gewesen, hätte ihn vielleicht freundlicher aufnehmen und sich ihm öffnen können. Viele Missverständnisse hätten sich so vermeiden lassen, doch stattdessen hatte sie die Widerspenstige gespielt. Das Ergebnis war vorhersehbar, und nun, nachdem Sir Myles offensichtlich nicht mehr im Spiel war, wurde Giselle von anderen unverheirateten Edelleuten belagert. Sie überschlugen sich mit Bezeugungen ihrer Gunst und ihres Interesses, doch Giselle fand an keinem besonderen Gefallen. Keiner der jungen Männer konnte sie so faszinieren wie Sir Myles.
Müde stand sie auf und ging zu dem schmalen Fenster ihres Schlafgemachs hinüber. Im Osten zeigten
Weitere Kostenlose Bücher