Historical Weihnachtsband 1990
Gray und Evclinc kommen mit, ebenso wie Justin Harris natürlich, nachdem Eveline ständig an seinem Arm hängt." Annabella lachte, teils über ihren eigenen Scherz und teils vor Freude, weil Eveline so vernarrt in Justin war, daß sie sich wenig für Jack Gates interessierte. Nicht daß Annabella den Wettbewerb gefürchtet hätte, doch Eveline hatte einen ungerechten Vorteil, da Gates im Haus ihrer Familie weilte. Durch Evelines Verliebtheit hatte sie — Annabella — jedoch freie Bahn, denn nach Grays Worten hatte Gates keine Freundin in Boston.
„Nun", schloß sie, „sind Sie fertig zum Gehen?"
„Ja", antwortete er und nickte, als wäre er zu einem plötzlichen Entschluß gekommen. Er faßte sie fest am Arm und lenkte sie sicher an den Rand des Weihers.
„Nur werde ich mich nicht zu Ihnen und den anderen gesellen. Ich muß unbedingt noch eine Arbeit beenden."
„Arbeit!" Annabella klang ungläubig. „An einem so schönen Vormittag?"
„Trotzdem", beharrte er, während er mindestens genauso über sich staunte wie sie.
War er verrückt, sich davonzumachen, bevor das Vergnügen überhaupt richtig begann? Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Und doch bückte er sich, um eilig die Kufen abzuschnallen, und verabschiedete sich so rasch es ging, damit er fort war, ehe Gray es bemerkte und ihn zurückzuhalten versuchte.
Vielleicht war er verrückt geworden. Woher kam diese Begeisterung, als wäre er ein Kind, dem man etwas Besonderes versprochen hatte, wenn es nach der Schule ohne Verzögerung nach Hause kam? Weshalb diese leichtherzige Freude?
Die Schlittschuhe über die Schulter geworfen, stieg Gates die Uferböschung hinauf, ohne sich umzudrehen.
Annabella blickte ihm nach. Sie war zwischen Verärgerung und wachsender Verblüffung hin- und hergerissen. War es wirklich Arbeit, was ihn fortgelockt hatte?
Was sonst konnte es sein? Sicher kein anderes Mädchen, denn alle, die wichtig waren, befanden sich am Teich. Dann mußte es Arbeit sein. Deswegen konnte sie ihm kaum einen Vorwurf machen, denn obwohl es nicht angenehm war, so allein gelassen zu werden, bewunderte sie doch seinen Ehrgeiz. Dafür hatte sie Verständnis, denn auch sie war ehrgeizig.
Und Gray hatte gesagt, daß Gates es sicher weit bringen würde, da er einer der Günstlinge der Kanzleigründer war. Er wäre ein Gatte, der nicht viel Zeit zu Hause verbringen würde. Dennoch, dachte Annabella, wären fünf Minuten mit Jack Gates besser als fünf Stunden mit einem anderen Mann.
Ja, schloß sie und wandte sich um, da er hinter den Bäumen verschwunden war, er ist es wert. Nun, bis Weihnachten war noch eine Woche, also mehr als genug Zeit, um ihn dahin zu bringen, wo sie ihn haben wollte: vor ihr auf die Knie mit einem Heiratsantrag auf den Lippen. Bis Weihnachten ist noch eine Woche, dachte sie lächelnd.
★
„Ein wenig weiter nach links, Miss. Ja, so ist es gut. Oh, wie hübsch es jetzt schon aussieht!" Emily, das Dienstmädchen vom Erdgeschoß, schlug die Hände zusammen und bewunderte die Wirkung des Stechpalmenbüschels, das Mary Hillyer an den Girlanden aus Tannengrün befestigt hatte, die den Kamin im Salon verzierten. Sie und Mary arbeiteten bereits seit dem Frühstück. Tannenzweige brachen sie in Stücke und banden sie dann mit Kupferdraht zu langen Girlanden zusammen. Die Arbeit war mühsam, machte aber auch Spaß, denn erstens war das Ergebnis erfreulich, zweitens die Gesellschaft.
Emily arbeitete gern mit Mary Hillyer zusammen. Ihre Anweisungen waren, im Gegensatz zu denen von Mrs. Hillyer, deutlich. Außerdem verlor sie nie die Geduld wie die anderen beiden. Und sie plauderte nicht wie ein Wasserfall, wie manche Damen es taten, sondern machte nur hin und wieder eine treffende Bemerkung.
An diesem Vormittag machte Mary Hillyer allerdings noch weniger Äußerungen als sonst. Genausowenig lächelte oder summte sie vor sich hin, wie sie es sonst jedes Jahr beim Winden der Tannengirlanden tat. Alle wußten, wie sehr Mary die Weihnachtszeit liebte, und doch wirkte sie an diesem Morgen schweigsam und gedankenverloren, als beschäftigte sie sich mit etwas anderem, etwas Beunruhigendem.
Emily überlegte, was es sein könnte. Bestimmt keine Familienschwierigkeiten, denn davon hätte sie erfahren. Es gab wenig im Haushalt, wovon die Dienerschaft nichts wußte. Außerdem schien von den anderen keiner auch nur im geringsten durcheinander. Mary Hillyer schwebte über den Wolken, und der alte Gentleman war mürrisch wie eh und je. Gray
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