Historical Weihnachtsband 1991
Zenobia fest. „Dieser grüne Farbton steht Ihnen ausgezeichnet."
„Macht er nicht mein Haar zu rot?" Angelica hatte so lange dunkle Trauerkleidung getragen, daß ihr jetzt das Kleid viel zu hell erschien. Auch fürchtete sie, gerade die Grünnuance könnte die rötlichen Funken im Haar zu sehr hervorheben. Phoebe dagegen hatte ihr den Stoff und die Samtbänder zum Geschenk gemacht, und Angelica hatte es natürlich gern angenommen.
„Zenobia hat recht", bestätigte Cecilia. „Die Farbe ist wie geschaffen für Sie. Tragen Sie doch den kleinen Hut mit den Fasanenfedern dazu. Den, welchen ich Ihnen passend zu Ihrer Augenfarbe gemacht habe."
„Und braune Handschuhe", warf Zenobia ein.
„Gut. Mache ich. Und falls der Lieferant mit den Kohlen kommt, so finden Sie etwas Geld für ihn in der Zuckerdose, die einen Sprung hat. Sagen Sie ihm, daß er den Rest bekommt, sobald Miss Lunt die Miete bezahlt hat. Nein, nein, sagen Sie ihm das nicht. Sonst denkt er womöglich, ich sei nicht in der Lage zu zahlen. Er soll einfach nächste Woche vorbeikommen, wenn ich wieder im Haus bin."
Angelica glättete sorgsam das grüne Kleid, während die Schwestern eifrig nickten.
Sie eilte die Stufen hinauf, um Hut und Handschuhe zu holen und um einen letzten prüfenden Blick in den kippbaren Standspiegel zu werfen. Ob es nicht doch vernünftiger gewesen wäre, das grelle Grün gegen ein dezentes Braun auszutauschen? Nein, Weihnachten stand vor der Tür, da war auch eine freudigere Farbe angebracht.
Wieder unten in der Diele, warf Angelica die schwere Wollpelerine um die Schultern. Gewohnheitsmäßig huschte ein Blick über die leere Stelle an der Wand, wo einst die alte Uhr gehangen hatte. Sie war vor einem Jahr verkauft worden, damit man die notwendige Reparatur an den Dachziegeln bezahlen konnte.
Trotzdem hatte Angelica ihre Gewohnheit noch nicht aufgegeben, beim Hinausgehen nach ihr schauen zu wollen.
Draußen ließ die eisige Luft ihr erst einmal den Atem stocken. Sie blieb kurz stehen, atmete aus, dann ging sie vorsichtig die wenigen Stufen hinunter. Hastig streifte sie die Handschuhe über. Schnee bedeckte Straßen und Häuser wie schon seit Wochen, und der Himmel war von grauen Wolken verhangen. Vermutlich würde es gegen Abend wieder schneien. Die Wege waren glatt, und es war gefahrlich zu gehen, obwohl die Herren Hart und Keyes die Treppe und den Bürgersteig immer wieder freischaufelten.
Angelica konnte sich keine Kutsche und kein Pferd leisten, nicht mehr, und eilte die Lady Slipper Lane hinunter, bog nach einer Weile in die verkehrsreichere Straße ein, an deren Ende Phoebes Haus stand. Im Vorübergehen erwiderte Angelica freundlich die Grüße einiger Ladeninhaber und Nachbarn. Wenn sie auch nicht gerade viel einzukaufen pflegte, so war sie doch immer um schnelle Begleichung der Rechnungen bemüht, und die Kaufleute schätzten das. Sie war in dem Viertel gut bekannt und allgemein beliebt. Daran hatte sich auch nichts geändert, nachdem sich ihre Vermögensverhältnisse ziemlich verschlechtert hatten, und auch nicht, obwohl ihr Haus das einzige in der kurzen Seitengasse war, das unbedingt frisch gestrichen werden mußte.
★
Phoebe und Geoffrey Addams lebten nur einige Häuserblocks weiter. Dennoch hatte Angelica das Gefühl, halb erfroren zu sein, als sie endlich am Ziel war. Das Haus war hübsch und gepflegt, wie einst auch ihr eigenes, und lag am Anfang einer schmalen Sackgasse. Hier fuhren nur selten Kutschen vorbei, so daß der Schnee nicht immer wieder auf den Bürgersteig stob, nachdem gefegt war. Ein weiterer Vorteil war der, daß der Garten dahinter mit der Rückseite an den des Elternhauses der Schwestern grenzte. Aus diesem Grund hielt sich das ältere Ehepaar auch wesentlich öfter bei Phoebe als bei Angelica auf, und Phoebes Haus war zum Familientreffpunkt geworden.
Ein Mädchen in schwarzem Kleid, weißer Schürze und mit einem Häubchen auf dem Kopf ließ Angelica eintreten und nahm ihr Pelerine, Hut und Handschuhe ab.
Angelica atmete tief den würzigen Duft von Gewürznelken, Zimt und frischgebackenem Brot ein, der immer Phoebes Haus erfüllte.
Bevor Angelica in den Salon treten konnte, kam Phoebe ihr entgegengeeilt.
„Endlich! Geoffrey und ich hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben."
„Es tut mir leid, daß ich so spät dran bin. Ich konnte nicht früher weg. Eine Frau kam und hat sich das leere Zimmer angesehen. Sie hat es gemietet, damit ist das Haus jetzt wieder voll belegt."
Phoebe
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