Historical Weihnachtsband 2010
meines Gatten ist, so werde ich höchst bereitwillig in eine Scheidung einwilligen. Aber bitte, Eure Majestät, bitte! Ich flehe Euch an! Schickt ihm Hilfe!“
Elizabeth verlangsamte ihren Schritt und blieb dann stehen. Noch einmal wandte sie sich um. Ihr Mund wurde zu einer dünnen, gehässigen Linie.
„Liebt Ihr ihn etwa, Ihr vorlautes, närrisches Ding?“
Margaret wurde wegen ihrer eigenen Kühnheit fast übel. Sie konnte nur nicken.
Einen Moment lang, nur einen flüchtigen Moment lang, erblickte sie einen höchst seltsamen Ausdruck auf dem glatten Gesicht der Königin. Bei jeder anderen Frau hätte er Gereiztheit oder Einsamkeit verraten oder … War es vielleicht Neid? Noch bevor Margaret sich fragen konnte, wie eine Königin, die doch von morgens bis abends von Männern umgeben war, die sie liebten, eine andere Frau beneiden konnte, war der Ausdruck schon wieder verschwunden.
„Kümmert Euch um Lady Margaret“, befahl sie dem Earl knapp. „Dann kommt zu mir, damit wir die Entsendung von Schiffen zu Sir Christophers Hilfe besprechen.“
Mit rauschenden Röcken fegte Elizabeth aus dem Gesellschaftszimmer.
Ihr ganzes Leben lang hatte Margaret Geschichten über den Tower von London gehört. Errichtet von Wilhelm dem Eroberer und seither von Königen und Königinnen immer mehr ausgebaut worden, dienten seine mit Geschütztürmen bewehrten Mauern und massiven Befestigungen als königliche Residenz, Menagerie, Schatzhaus, Münze, Waffenkammer … und als Gefängnis und Begräbnisstätte für diejenigen, welche das Missfallen des Souveräns erregt hatten. Hier waren unzählige Gefangene dazu gebracht worden, ihre Schuld zu gestehen. Hier waren Verräter gestorben. Und zwei Königinnen hatten hier ihren Kopf verloren. Eine davon war Elizabeths Mutter gewesen.
Nie und nimmer hätte Margaret gedacht, dass sie hier einmal einen kleinen, nasskalten Raum im Beauchamp Tower bewohnen würde, wo John Dudley, Duke of Northumberland und seine vier Söhne ihr Schicksal aus der Hand von Elizabeths älterer Schwester, Königin Mary, erwartet hatten. Nie hätte sie geglaubt, dass sie einmal Stunde um Stunde am Spalt eines winzigen Fensters stehen und auf graue Gefängnismauern und schmutzigen Schnee starren würde, der zusammengetreten unten im Hof lag.
Trotz all der Freudlosigkeit ihrer Umgebung dachte sie dabei nicht an sich. Ihr einziger Gedanke galt einem eleganten Schiff, das auf den weißen Schaumkronen der Wellen ritt, und dem großen, breitschultrigen Kapitän, der es kommandierte.
Wie es Kit wohl erging? War die Gull nur einer endlosen See begegnet, oder war er auf eine riesige Flotte gestoßen? Hatte ihm die Königin andere Schiffe zu Hilfe geschickt?
Margaret hatte keine Nachricht erhalten und auch keine Besucher außer Violet, die täglich kam und frisches Brot, herzhafte Fleischpasteten und Naschwerk brachte. Die Matrone berichtete ihr, dass Xanthos, bevor er sich auf die Suche nach Sir Francis Drake machte, auf sein eigenes und das große Vermögen von Sir Christopher zurückgegriffen hatte, um dafür zu sorgen, dass auch wirklich alles für Lady Margarets Bequemlichkeit getan wurde. Drake würde Margaret zu Hilfe kommen, hatte Violet unter Tränen versichert.
Er sollte besser Kit zu Hilfe eilen, hatte Margaret weinend erwidert.
Jeden Nachmittag, wenn Violet den Tower verließ, war sie entweder in Tränen gebadet oder von der Hoffnung befeuert, dass sie und ihre liebe Margaret bald nach Oak Manor zurückkehren würden.
Die Tage streckten sich endlos dahin. Die Nächte waren mit tausend schwarzen Stunden angefüllt. Fast unbemerkt von den Bewohnern des Towers zog kalt und schneereich Weihnachten herauf. Während des ganzen langen Tages erlaubte Margaret es sich nicht, an zu Hause zu denken. An den Julklotz, der immer im großen Kamin loderte. An die große Schale mit Würzbier. Sie hatte stets befohlen, sie randvoll zu füllen. An die Gottesdienste in der Kathedrale von Plymouth und an die Besuche bei ihren Freunden.
In dieser Nacht stand sie an dem Fensterschlitz und sah nicht hinunter, sondern durch den engen Spalt hinauf zum Himmel, der zwischen den Wachtürmen zu sehen war. Der wirbelnde Schnee hatte sich gelegt. Sterne schimmerten an einem schwarzen Himmelszelt. Einer schien heller als alle anderen.
War das der Weihnachtsstern? Derselbe Stern, der die drei Könige nach Bethlehem geführt hatte?
Margaret konnte nur beten, dass er es war, und dass er Kit in einen sicheren Hafen geleiten
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