Historical Weihnachtsband 2010
Köder?“
„Georges Schiffsladung. Ich habe überall herumerzählt, dass ich die Ware, die er bei mir bestellte, fortschaffen will.“
„Aber das ist zu gefährlich.“
„Für sie vielleicht. Ich habe Männer im Lager versteckt. Noch nicht einmal eine Maus käme da hinein, ohne erwischt zu werden.“
„Gut, dann sehe ich Euch eben morgen. Wir können die Liste durchlesen und …“
„Morgen werde ich zu tun haben.“ Und in jedem anderen Augenblick, bis er lossegelte, denn offensichtlich konnte er sich in ihrer Gegenwart selbst nicht trauen. „Ihr könnt Walter die Liste übergeben.“
Rosemary zog zwar die Stirn kraus, aber sie nickte. „Was, wenn es mit diesen Dieben zu einem Kampf kommt?“
„Ich kann nur hoffen, dass dem so ist“, erwiderte William aus tiefster Überzeugung. Oh ja, ein guter Kampf war jetzt genau das, was er brauchte, um seine Verstimmung abzureagieren. Er wirbelte herum und eilte die Treppe hinauf.
„Seid vorsichtig“, rief sie ihm nach.
William antwortete nicht.
Er würde nicht vorsichtig sein.
Böse Vorahnungen ließen Rosemary erschauern, während sie Williams leiser werdenden Schritten lauschte.
Er wünschte sich den Tod.
8. KAPITEL
Seit Ella von ihm gegangen war, lag William nichts mehr am Leben. Rosemary hatte die Hoffnungslosigkeit in seinen Augen gesehen und sie aus seiner Stimme herausgehört, als er über seinen Schmerz bei Ellas Verlust sprach.
Rosemary verstand. Als ihre Eltern starben, hatte sie das Gleiche empfunden. Es war hart gewesen, sich jedem Tag zu stellen, ohne dass sie an ihrer Seite waren. Aber irgendwie hatte sie die Kraft dazu gefunden. Nein, George hatte sie dazu gezwungen. Ihr kamen die Tränen, als sie sich daran erinnerte, wie er sie zuerst beschwatzt und dann schließlich nicht nur dazu gezwungen hatte, zu überleben, sondern auch zu lernen, wieder Spaß am Leben zu haben. Die Apotheke war ihre Rettung gewesen, so wie die Seefahrt Williams Rettung war. Doch mit dem herannahenden Jahrestag von Ellas Tod versank er in einem kalten Sumpf aus Kummer und Schuldgefühlen.
Als er sie küsste, war er jedoch nicht kalt und abweisend gewesen. Für ein paar kostbare Augenblicke war er in ihren Armen wieder lebendig geworden. Begierde hatte er es genannt, aber sie hatte anderes in seinem Blick gesehen: Zärtlichkeit und eine Einsamkeit, die sie lindern konnte. Sie wusste instinktiv, dass sie dazu fähig war. Wenn er sie denn ließ. Aber Schuldbewusstsein und Loyalität zu Ella trieben ihn dazu, sie zurückzuweisen.
Wie sollte sie gegen einen Geist ankämpfen?
Voll Zorn knirschte Rosemary mit den Zähnen. Ihr erster Gedanke war, zum Lagerhaus hinunterzulaufen und sich davon zu überzeugen, dass er nichts Törichtes unternahm. Aber nein, dort wäre sie ihm nur im Weg und würde ihn vielleicht in einem kritischen Moment ablenken.
Ihr Blick fiel auf Williams Listen. Wenigstens konnte sie seine Untersuchungen fortführen. Sie packte die Papiere zusammen, nahm die Kerze und verließ die Werkstätte, um zu der alten Kemenate zu gehen. Ihre Schritte waren rasch und entschlossen. Trotz der späten Stunde war ihr Onkel noch wach. Er saß in dem großen Bett, dessen Decke mit Büchern übersät war.
„Darf ich hereinkommen, Onkel?“
„Hm“, brummte er, ohne aufzublicken.
Liebevoll lächelnd ging sie zu ihm. Ein Tablett mit unberührten Speisen auf dem Tisch neben dem Bett zeugte von seinem alleinigen Interesse an der Bibliothek der Sommervilles. „Onkel?“
„Hm.“ Zwei Bücher lagen aufgeschlagen auf seinem Schoß. Seine Blicke schossen zwischen ihnen hin und her, und er murmelte Worte vor sich hin, die griechisch klangen.
„Es tut mir leid, hier einzudringen, aber ich brauche deine Hilfe, Onkel.“
Erstaunt blinzelte er. „Ah, Rose. Die Apotheke ist abgeschlossen?“
„Onkel, die Apotheke wurde vor einigen Tagen zerstört.“
„Hm. So war es.“ Er tätschelte ihre Hand. „Das tut mir leid. Du hast so schwer gearbeitet – so schwer. Sobald ich hier fertig bin, werde ich dir helfen, die Dinge in Ordnung zu bringen.“
„Lord William heuerte deswegen bereits Arbeiter an.“ Eigentlich hatte sie seine Wohltätigkeit nicht annehmen wollen, aber William hatte sich Onkel Percys Erlaubnis eingeholt. Nicht, dass Percy sich daran erinnerte.
„Fein. Er ist ein guter Junge, wenn auch ein wenig steif.“ Bereit, sich wieder in die Bücher zu vertiefen, senkte Percy den Blick.
„Onkel.“ Rosemary berührte seinen Arm. „Ich hasse es, dich
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