Historical Weihnachtsband Band 4
nicht, dass seine Gefühle für sie sich nicht verändert haben. Und so fürchtet sie, er könnte sie abweisen, weil sie ihn damals verletzte.“
„Aber wenn sie ihm verraten würde, dass sie ihn liebt, würde er doch gewiss nicht abreisen, oder?“
„Nein, sicher nicht.“
„Wird sie es ihm verraten?“
„Ich fürchte, nein.“
Verzweiflung schnürte Addie die Kehle zu. „Können wir es ihm sagen?“
Rose schüttelte den Kopf. „Er kann uns weder sehen noch hören.“ Wieder seufzte sie und zitierte: „Sobald die Liebe das Herz erfüllt, ist jene Frau verloren, die zu lange zögert.“
Addie blinzelte erstaunt. „Das ist aus Addisons Tragödie ‚Cato‘.“
Ein strahlendes Lächeln umgab Roses Lippen. „In der Tat. Wie günstig, wenn man so belesen ist. Schade, dass Lily diese Worte nicht kennt, um danach handeln zu können.“
Ganz krank vor Bedauern und Mitgefühl und noch einer Empfindung, die sie nicht benennen konnte, sah Addie der einsamen Gestalt Martins nach, bis er in der Dunkelheit verschwunden war. „Was geschieht nun mit ihnen?“, flüsterte sie.
„Keiner von ihnen wird sich je wieder in jemanden verlieben.“
Addie spürte Tränen auf ihren Wangen. „Das ist so entsetzlich.“
„Tragisch“, stimmte Rose ihr zu. „Wenn Lily doch nur die Gelegenheit ergriffen hätte.
Wenn sie nur nicht so lange gezögert hätte. Wenn sie ihn nur hätte wissen lassen, was sie empfindet. Wenn sie es ihm nur gesagt hätte ...“
Addie erwachte mit einem Keuchen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie atmete schwer. Aufgeregt setzte sie sich auf und blickte sich im Zimmer um. Eine ganze Weile verging, bevor sie sich ein wenig beruhigt hatte. Als sie die Hände an ihr Gesicht presste, spürte sie, dass ihre Wangen tränenfeucht waren. Hatte sie geweint? In ihrem Traum hatte sie geweint ...
Ihr Traum. Sie schlang die Arme um ihre Knie, und ein Schauder durchlief sie. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie einen so lebendigen Traum gehabt.
Offensichtlich tat ihr die Lektüre von Dickens’ Weihnachtsgeschichte nicht sehr gut.
Sie nahm sich vor, als Nächstes eine Komödie zu lesen. Ein Blick zum Fenster zeigte ihr, dass der Morgen bereits heraufdämmerte. Es war Weihnachten.
Addie lehnte sich wieder in die Kissen zurück und blickte nachdenklich an die Decke, noch immer ganz mitgenommen von der Erinnerung an ihren Traum. Sosehr sie auch versuchte, sie aus ihren Gedanken zu verbannen, sie konnte die Worte, die der kleine rosafarbene Engel zitierte hatte, einfach nicht vergessen: ... ist jene Frau verloren, die zu lange zögert .
5. KAPITEL
Dank der Fähigkeit, seine wahren Gefühle zu verbergen – ein Talent, das er im Lauf der Jahre gezwungen gewesen war, bis zur Vollkommenheit auszubilden –, wusste Sebastian, dass alle glauben mussten, er genieße das lukullische Weihnachtsmahl. Er lächelte höflich und unterhielt sich leutselig, während er sich vom Gänsebraten, dem Yorkshire-Pudding, den Kartoffeln, dem frisch gebackenen Brot und den zarten Erbsen nahm. Insgeheim allerdings waren die Anspannung und die Verzweiflung, die ihn seit seiner Begegnung mit Addie gestern Abend fest im Griff hielten, zu einem fast unerträglichen Ausmaß angewachsen.
Den ganzen Morgen, während die Geschenke geöffnet wurden, und später während des Weihnachtsgottesdienstes in der St.-Peter’s-Kirche, hatte er sich danach gesehnt, mehr als nur höfliche Floskeln mit Addie auszutauschen. Aber was sollte er ihr sagen? Ich begehre dich so sehr, dass ich an nichts anderes denken kann? Ich liebe dich so sehr, dass es wehtut? Wenn ich dich gestern Abend geküsst hätte, glaube ich nicht, dass ich hätte aufhören können?
Der Himmel mochte ihm beistehen, aber er hatte sich noch nie etwas so sehr gewünscht wie einen Kuss von Addie. Er hätte nicht auf sie achten sollen, als er sie an der Tür bemerkt hatte. Stattdessen hatte er, wie so oft schon während ihrer Kindheit, sie zu einem Spiel herausgefordert. Schließlich waren sie Freunde und bald durch Heirat miteinander verwandt – sobald Evan dazu kam, um sie anzuhalten. Was sollte schon so schlimm daran sein, wenn sie sich mit einem harmlosen Billardspiel die Zeit vertrieben?
Aber Sebastian wusste natürlich, dass er sich selbst belog. Keine Situation, in der er mit Addie allein war, konnte harmlos genannt werden, weil er sich mit Leib und Seele nach ihr verzehrte. Ihr Anblick im Morgenrock hatte ihn dann auch fast die Kontrolle verlieren lassen, obwohl sie
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