Historical Weihnachtsband Band 4
schmecken. Und wartete voller Ungeduld darauf, dass das Mahl zu einem Ende kam. Als es endlich so weit war, zogen sich alle in den Salon zurück, wo der mit Nürnberger Weihnachtsschmuck großzügig dekorierte Weihnachtsbaum die Luft mit seinem Duft erfüllte. Der Kristallengel an seiner Spitze spiegelte das Licht der Lampen wider.
„Was wollen wir spielen?“, fragte Grace.
„Jedenfalls nicht Billard“, meinte James mit einem gespielt finsteren Blick auf Addie.
„Charaden?“, schlug Evan vor.
Addie bückte sich und hob etwas auf, das auf dem Läufer vor dem Weihnachtsbaum lag. „Was ist das?“ Sie hielt ein langes schwarzes Seidenband hoch.
Grace trat an ihre Seite. „Es ist die Augenbinde, die wir benutzen, wenn wir Blindekuh spielen. Wie ist die hierhergekommen?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Addie und schüttelte das Band leicht. Ein winziger rosafarbener Funkenregen rieselte auf den Boden.
„Scheint mir, deutlicher könnte die Nachricht gar nicht sein“, meinte Evan mit einem Lachen. „Blindekuh also?“
Alle waren einverstanden, und obwohl Sebastian sich am liebsten auf sein Zimmer zurückgezogen hätte, schien es ihm doch zu ungehobelt, es wirklich zu tun. Und was konnte ein harmloses Gesellschaftsspiel schon schaden?
„Wer legt als Erstes die Binde um?“, fragte Grace.
„Ich schlage Sebastian vor.“ Evan nahm Addie das Tuch fort.
„Und warum nicht du?“, fragte Sebastian.
Evan schob seine Brille zurecht und grinste. „Alter vor Schönheit.“
Sebastian lächelte nachgiebig. Nachdem er sich selbst die Augen verbunden hatte, drehte Sebastian sich fünfmal im Kreis, während die Übrigen auseinanderliefen.
Schließlich blieb er stehen und rief: „Stopp!“ Bei seinem Befehl hatten alle mitten in der Bewegung innezuhalten. Sebastian musste sie dann nicht nur finden, sondern auch identifizieren.
Einen Moment rührte er sich nicht und lauschte auf Geräusche, die ihm weiterhelfen würden. Prompt hörte er ein leises Räuspern und lächelte insgeheim. Er fragte sich, ob Lord Gresham diese Gewohnheit überhaupt bewusst war. Mit ausgestreckten Armen, um das Gleichgewicht zu halten, ging er los. Nach nur einigen Schritten stieß er mit dem Schienbein gegen ein Möbelstück.
„Aua.“ Er hörte ein ersticktes Lachen zu seiner Rechten. James. Den würde er sich gleich nach dem Earl vorknöpfen. Noch ein paar Schritte, und sein Knie traf eine Tischkante.
„Es gibt eindeutig zu viele Möbel in diesem Raum“, beschwerte er sich. Beim nächsten Schritt berührte er jedoch einen Menschen. Zwar wusste er, dass es Lord Gresham war, verzog aber scheinbar nachdenklich die Lippen und klopfte dem Earl auf die Brust. „Hm. Eindeutig weder Grace noch Addie.“ Er hob die Hand, strich dem Earl über den kahlen Kopf und lächelte. „Ah. Lord Gresham.“
Der Earl gab es notgedrungen zu, und das Spiel ging weiter. Als Nächstes fand Sebastian den jungen James und machte sich ein Vergnügen daraus, ihn an den Ohren zu zupfen und ihm das Haar zu zerraufen, alles natürlich unter dem Vorwand, ihn erkennen zu wollen. Das rief weiteres Gelächter hervor und half Sebastian, die anderen Spieler auszumachen. Obwohl er noch öfter gegen Möbel und Wände lief, fast das Schicksal einer armen Porzellanschäferin besiegelte und sich mehrmals an den Ästen des Weihnachtsbaums den Allerwertesten stach, entdeckte und erkannte er darauf seinen Vater, der es gutmütig geschehen ließ, dass sein Sohn an seinem Barthaar zupfte.
Sein Vater war somit aus dem Spiel. Sebastian zögerte und lauschte wieder. Und so hörte er ein leises Rascheln zu seiner Linken. Ein Damenkleid. Er wandte sich in die Richtung und atmete tief ein. Ein leiser Hauch von Jasmin lag in der Luft. Sein Herz machte einen Sprung.
Addie.
Er hob die Hände in Schulterhöhe und ging vorsichtig weiter. Beim dritten Schritt berührte er etwas, das er als die kunstvoll verknüpften Fransen an den kurzen Ärmeln von Addies smaragdgrünem Samtkleid erkannte. Er wusste, dass sie es war.
Er hatte es schon gewusst, bevor er sie berührte. Am besten nannte er einfach ihren Namen, trat zurück und suchte die anderen.
Aber es ging über seine Kräfte, diese unverhoffte Gelegenheit, sie berühren zu können, einfach verstreichen zu lassen. Natürlich würde er nichts Ungehöriges tun, und niemand konnte wissen, dass er sie bereits erkannt hatte. Nur er selbst.
Mit klopfendem Herzen ließ er die Hände sinken, bis er die samtweiche Haut ihrer Oberarme
Weitere Kostenlose Bücher