Hitlers Berlin
ernennen, unterstützte er ihn vorbehaltlos: Zunächst löste er am 26. Oktober 1926 die bisher getrennten NSDAP-Gaue Berlin und Potsdam auf und ordnete den Aufbau einer neuen gemeinsamen Parteiorganisation an. Sodann bestimmte Hitler: »Mit der Führung des Gaus Berlin-Brandenburg beauftrage ich hiermit den Parteigenossen Dr. Goebbels, Elberfeld, der mir allein verantwortlich ist für die organisatorische, propagandistische und politische Leitung des Gaus.« Um zugleich der Berliner SA, den Hauptopponenten gegen die bisherigen Ortsgruppen-Leiter Schlange und Schmiedicke, die künftigen Machtverhältnisse klar zu machen, bestimmte Hitler mit einer Bekanntmachung im Völkischen Beobachter unmissverständlich: »Die SS und SA des neuen Gaus wird der politischen Leitung des Gauführers ausdrücklich unterstellt. Ihre Führer werden endgültig erst nach dessen Vorschlag von der SA-Leitung München bestimmt.« Wie wichtig diese Entscheidung war, kann man auch daran ablesen, dass sämtliche Parteiblätter angewiesen wurden, diesen Text abzudrucken – nicht einzigartig, aber selten. Um Schmiedicke zu versöhnen, schrieb Hitler ihm: »Ich ergreife gern die Gelegenheit, Ihnen dafür, daß Sie in den letzten schweren Monaten, die von Ihnen persönlich große Opfer forderten, mir Ihre Mitarbeit nicht versagten, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.« Nach 1933 wurde Schmiedicke mit dem (bedeutungslosen) Amt des Oberbürgermeisters der brandenburgischen Stadt Guben abgefunden. 10
Um die Umstrukturierung weiter abzufedern, bestätigte Hitler am
5. November noch die letzte Anordnung Schmiedickes: den Parteiausschluss des vormaligen Gegenkandidaten Heinz Oskar Hauenstein. Der Parteichef statuierte damit ein Exempel, noch bevor der neue Gauleiter am 7.November am Potsdamer Bahnhof eintraf. »Mit diesem Tag beginnt eine neue Geschichte des Gaus«, vermerkte der Neuköllner NS-Funktionär Muchow schon wenige Wochen später voll Begeisterung – und zwar durchaus mit Grund. Denn Goebbels war klug genug, den Flügelstreit umgehend zu neutralisieren: Er ernannte sofort den starken Mann der örtlichen SA, Kurt Daluege, zu seinem Stellvertreter, ließ sich aber zwei Tage später von dessen Konkurrenten Otto Strasser in seiner neuer Funktion vorstellen. Der »linke Nazi« Strasser war es auch, der Goebbels sein erstes Berliner Quartier verschaffte, als Untermieter bei einem Redakteur des konservativen Berl iner Lokalanzeiger im Haus Am Karlsbad 5 in Tiergarten. Nun konnte er unverzüglich mit seiner Form der politischen Arbeit beginnen; in seinem ersten Rundschreiben zog er zudem gleich die Zügel an: »Die Gaugeschäftsstelle ist ein Arbeitsraum des Gaus Berlin-Brandenburg, als solche nicht zu verwechseln mit einer Wärmehalle oder einem Wartesaal. Parteigenossen haben auf der Geschäftsstelle nur dann Zutritt, wenn sie Parteiangelegenheiten zu erledigen haben. Der Gauführer ist nach vorheriger Anmeldung auf der Geschäftsstelle während der Geschäftsstunden zu sprechen. Anmeldungen zwecks Klatsch u.ä. sind zwecklos. Der Gauführer läßt sich grundsätzlich nur in sachlichen Angelegenheiten sprechen.« Goebbels gefiel der bisherige Sitz der Berliner NSDAP nicht; er ließ neue Räume suchen, die bald im ersten Stockwerk des Vorderhauses Lützowstraße 44 gefunden und tatsächlich schon im Dezember bezogen wurden. Die nötigen Mittel trieb der neue Gauleiter auf, indem er den Nationalsozialistischen Freiheitsbund gründete, eine Unterorganisation der Partei, in die wohlhabendere Parteigenossen eintreten konnten – gegen zusätzliche Beiträge, was angeblich monatlich 1500 Reichsmark einbrachte, in Wirklichkeit vielleicht ein Drittel davon. Als Gegenleistung genossen diese Mitglieder das Gefühl, Teil einer »Elite« zu sein, außerdem exklusive Auftritte zum Beispiel von Hitler und anderen Parteigrößen. So wurde der Umzug aus dem heruntergekommenen Hinterhofquartier in eine bürgerliche Wohnung mit vier
Visite: Hitler zu Besuch in der Gaugeschäftsstelle Berlin, Mai 1930
»mit allen modernen Büro-Einrichtungen versehenen Zimmern nebst zwei Fernsprechanschlüssen« in Tiergarten möglich. 11
Seine erste öffentliche Rede als Berliner Parteichef hielt Goebbels am
9. November, doch seine eigentliche Premiere beging er erst fünf Tage später: Am Sonntag, dem 14.November 1926, ließ er etwa 300 SA-Männer geordnet vom S-Bahnhof Kaiser-Friedrich-Straße (heute Sonnenallee) durch den Arbeiterbezirk Neukölln zum Hermannplatz
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