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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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Hauptstadt im besten Fall Platz 28 (Reichstagswahl 1928) und als schlechtesten Rang Platz 34 (1. Wahlgang der Präsidentenwahl 1932 sowie Reichstagswahl 1933). Geringer als in Berlin war regelmäßig (mit einer Ausnahme) nur die Zustimmung im Wahlkreis Köln-Aachen, der unbestrittenen Hochburg des katholischen Zentrums. Generell waren sämtliche Wahlkreise mit ähnlich schlechten oder noch schlechteren Ergebnissen für die NSDAP stark katholisch geprägt – zum Beispiel Niederbayern oder Westfalen-Nord. Andere Milieus, etwa ein besonders großer Anteil an Arbeitern wie in den Reichstagswahlkreisen DüsseldorfWest und -Ost sowie Westfalen-Süd, die zusammen fast das ganze Ruhrgebiet umfassten, erwiesen sich als weniger stabil gegen Hitlers »Volkspartei des Protestes« (Jürgen W. Falter).
    Allerdings muss beachtet werden, dass Berlin ein untypischer Reichstagswahlkreis war: nämlich der einzige, dessen Grenzen völlig mit der einer Großstadt übereinstimmten. Alle anderen Wahlkreise umfassten mehr oder minder viele ländliche Gebiete, in denen die Zustimmung zur Hitler-Bewegung meistens höher war als in den Städten. Vergleicht man nur die Stimmanteile der NSDAP innerhalb von Großstädten, so lagen die Zahlen in Berlin 1932/33 etwa auf gleicher Höhe mit der »Hauptstadt der Bewegung« München und höher als zum Beispiel in Bremen, Stuttgart, Dortmund, Essen und Duisburg. Ein umfassender Vergleich der NSDAP-Wahlergebnisse im Reich steht noch aus, obwohl in den vergangenen Jahren zahlreiche Regionalstudien Grundlagen dafür gelegt haben. Man kann jedoch feststellen, dass der NSDAP-Anteil in Berlin unter den fünfzehn größten Städten Deutschlands 1925 –1933 stets auf einem mittleren Platz lag. 24
    Der Aufstieg der NS-Bewegung zur stärksten deutschen Partei lässt sich an Berlin genauer verfolgen als an den reichsweiten Abstimmungen allein; die NSDAP-Geschichtsschreibung formulierte denselben Gedanken trotz ihrer grundsätzlichen Ablehnung des demokratischen Prinzips im Rückblick so: »Den besten Gradmesser für die erfolgreiche politische Tätigkeit der Bewegung in der Reichshauptstadt bilden die Wahlresultate.« Mitte September 1930 erschütterte der erdrutschartige Zuwachs für Hitler bei der vorgezogenen Reichstagswahl die demokratischen Politiker in Deutschland: Eine Verachtfachung der Stimmen machte aus der einstigen Splitterpartei die zweitstärkste politische Kraft Deutschlands. Doch es hatte genügend warnende Anzeichen gegeben: Schon bei der Berliner Kommunalwahl am 17. November 1929 hatte die NSDAP ihren Stimmanteil gegenüber den Wahlen 1928 mehr als verdreifachen können – von nur 1,6 auf 5,8 Prozent. Damit entsandte sie in die Stadtverordnetenversammlung der Reichshauptstadt 13 Abgeordnete; zwar nur die sechststärkste Fraktion nach SPD, KPD, DNVP und, ganz knapp, hinter DVP und DDP, aber doch schon vor dem Zentrum und der Wirtschaftspartei. Die NSDAP war nun eine Größe, mit der man rechnen musste. Erstmals bei dieser Kommunalwahl erreichten übrigens die radikal republikfeindlichen Parteien von links und rechts (KPD, DNVP und NSDAP) zusammen 48 Prozent der Stimmen, das waren 109 der 225 Mandate: Gut drei Jahre vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler votierte knapp die Hälfte der Berliner gegen das verfassungsmäßige Regierungssystem; »republikanisch und demokratisch orientiert« war die Hauptstadt bereits im Herbst 1929 nicht mehr. Das gute Abschneiden der Hitler-Bewegung war kein »Ausrutscher« – das bestätigten zur gleichen Zeit ähnliche Ergebnisse der Landtagswahlen in Baden (7,1 Prozent für die NSDAP) und Thüringen (11,3 Prozent) sowie der Wahl zur Lübecker Bürgerschaft (8,1 Prozent).

    Interessant ist auch die lokale Verteilung der NSDAP-Stimmen innerhalb der Reichshauptstadt. Man muss dabei berücksichtigen, dass die sozialen Verhältnisse in Berlin heterogener waren als in anderen deutschen Großstädten; eine Folge der gewachsenen Wohnstruktur mit ihren gegliederten Mietblöcken, in denen »zwischen der Beletage des Vorderhauses und dem zweiten oder dritten Hinterhof Welten lagen. Daher findet man immer eine Gemengelage unterschiedlicher sozialer Schichten«, schreibt der Berliner Historiker Henning Köhler treffend. Eine Unterscheidung zwischen »bürgerlichen« und »proletarischen« Bezirken ist deshalb für Berlin noch schwieriger als für andere Großstädte. So wichen die NSDAP-Ergebnisse in den besonders stark »durchmischten« Stadtteilen Mitte, Kreuzberg,

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