Hitlers Berlin
Pankow und Köpenick in allen Wahlen 1928–1933 nicht nennenswert vom Gesamtergebnis für Groß-Berlin ab. Dagegen lagen bei den Reichstagswahlen 1928 und 1930 die Ergebnisse im »gutbürgerlichen« Steglitz jeweils sogar deutlich über dem Reichsdurchschnitt; bei der »Erdrutsch-Wahl« von 1930 traf dasselbe auch für die »gehobenen« Stadtteile Schöneberg, Wilmersdorf und Charlottenburg zu. Weit unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielte die NSDAP stets im untypisch homogenen Arbeiterbezirk Wedding sowie in Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Diesen Befund bestätigen die lokal aufgeschlüsselten Ergebnisse der Kommunalwahl von November
Wahlkampf: Hitler-Rede im Lustgarten, 4. April 1932
1929. Die übrigen Bezirke lagen mal knapp über, mal knapp unter dem Berliner Durchschnitt.
Eine weitere interessante Verschiebung zeigt die Aufgliederung der Zustimmung nach Geschlechtern. Grundsätzlich scheint die NSDAP für Berlinerinnen und Berliner ungefähr gleichermaßen wählbar gewesen zu sein, mit einem leichten Übergewicht der Männer, das aber deutlich geringer ausfiel als etwa bei der KPD. Jedenfalls weisen die für die Jahre
1928 – 1930 vorliegenden detaillierten Auszählungen keine so starken Ungleichgewichte bei den Hitler-Wählern aus wie beispielsweise beim Zentrum, der DNVP oder dem Christlich-sozialen Volksdienst: Diese Parteien fanden drei Fünftel, zwei Drittel oder sogar drei Viertel ihrer Wählerschaft bei den Frauen. Bemerkenswert ist, dass der große Erfolg der Hitler-Bewegung im September 1930 bei weiblichen Wählern noch etwas stärker war als bei Männern. Weitergehende Schlüsse jedoch erlaubt die statistische Qualität dieser Erhebung nicht. 25
1931 war ein Jahr, in dem in Berlin ausnahmsweise überhaupt nicht gewählt wurde. Während die Wirtschaftskrise und die auf Haushaltskonsolidierung um jeden Preis gerichtete Deflationspolitik von Reichskanzler Heinrich Brüning die sozialen Spannungen in der Hauptstadt eskalieren ließen, zeigten die Wahlen in anderen deutschen Ländern, dass sowohl Links- als auch Rechtsextreme von der Linie des vom katholischen Zentrum gestützten Kabinetts profitierten. In den meisten Groß städten wurde aus der zergliederten Vielfalt eine Art Dreiparteiensystem aus NSDAP, KPD und SPD. Schon im September 1930 waren die Kommunisten in Berlin zur stärksten Partei geworden. Bei den regulären Wahlen zum Preußischen Landtag am 24.April 1932 kam es zu einem weiteren Erdrutsch zugunsten der Nationalsozialisten, die mit 36,3 Prozent landesweit genauso stark wurden wie die eingebrochene SPD und das nur im Rheinland und Westfalen-Nord weitgehend stabile Zentrum zusammen. Allein auf die Hauptstadt bezogen verdoppelte die NS-Bewegung ihren Stimmenanteil gegenüber 1930. Ihr enormes Potenzial zeigte sich ein weiteres Mal bei der ganz auf Personen ausgerichteten Volkswahl des Reichspräsidenten. Anfang März 1932 stimmten in Berlin knapp eine Viertelmillion, beim zweiten Wahlgang vier Wochen später sogar 332 000 Menschen für Hitler. Der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann erreichte beim zweiten Wahlgang in der Hauptstadt 315 000 Stimmen, der zur Wiederwahl angetretene Präsident Hindenburg kam nur dank der Unterstützung durch die ihm verhassten Sozialdemokraten, durch Katholiken und Liberale auf 565 000 Stimmen.
Allerdings schien mit dieser Wahl der Höhepunkt von Hitlers Aufstieg in Berlin erreicht; schon bei der nächsten Reichstagswahl am
31. Juli 1932, die der NSDAP reichsweit 37,3 Prozent einbrachte und sie zur mit Abstand stärksten Partei machte, konnte sie in der Hauptstadt nur noch 281300 Stimmen (24,6 Prozent) gewinnen. Als dann beim vierten nationalen Urnengang dieses Jahres die Hitler-Partei am 6. November reichsweit auf 33,1 Prozent abrutschte, begann sich leise Hoffnung bei republikanisch gesinnten Kreisen zu verbreiten. In Berlin sank die Stimmenzahl für die Nationalsozialisten um 12 000 auf rund 269 000 (22,5 Prozent). Gerade in den »einfacheren« Bezirken blieben ihre Ergebnisse weitgehend stabil; hier hatte sich Hitler inzwischen eine solide Anhängerschaft auch bei Arbeitern und Kleinbürgern erobert. Die Verluste lagen in den »besseren« Stadtteilen Zehlendorf, Steglitz und Wilmersdorf über dem Reichsdurchschnitt, in Charlottenburg und Schöneberg etwa auf demselben Niveau; das Bürgertum neigte offensichtlich eher dazu, aus Protest NSDAP zu wählen, sich aber auch wieder von dieser Partei abzuwenden.
Alle optimistischen Analysen der
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