Hitlers Berlin
»linken« NS-Größen stand. Immerhin kam Hitler selbst wieder einmal nach Berlin, um seine Anhänger mit einer der üblichen Reden zu beruhigen – diesmal ging es vordergründig um Außenpolitik. Zugleich zogen die Geschäftsstelle und die Redaktion des Angr iff, die sich seit Juli 1927 die Wohnung in der Lützowstraße geteilt hatten, in neue Räume am (Charlottenburger) Wilhelmplatz. Ob diese Wahl etwas mit der attraktiven Adresse zu tun hatte (der über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Wilhelmplatz lag inmitten des Regierungsviertels), ist nicht mehr zu klären. Möglicherweise handelte es sich tatsächlich um einen Zufall oder eine günstige Gelegenheit. Viel Freude hatte der Gauleiter am neuen Domizil nicht – auch wenn Hitler höchstpersönlich am 14. Juli 1928 am Wilhelmplatz 77 erschien und seine Berliner Organisation lobte. »Er war ehrlich begeistert«, schrieb Goebbels. Wenige Wochen nach dem Umzug allerdings bahnte sich ein Konflikt an, der Goebbels in den kommenden drei Jahren an seiner Aufgabe, der Eroberung Berlins für die braune Bewegung, dreimal beinahe scheitern lassen sollte: die Auseinandersetzung mit der SA. 21
Exkurs: Berliner Wahlen 1925 – 1933
Hitler ist nicht an die Macht gewählt worden: Eine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreichten die Nationalsozialisten im Reichsdurchschnitt bei keiner Abstimmung während der Weimarer Republik und nicht einmal bei den wegen massiver Gewalt gegen politische Gegner schon nicht mehr demokratisch zu nennenden Wahlen anderthalb Monate nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler.Am 5. März 1933 kam die NSDAP reichsweit gerade auf 43,9 Prozent, obwohl sämtliche staatlichen Machtmittel einschließlich des noch jungen Hörfunks in den Dienst des nationalsozialistischen Wahlkampfes gestellt worden waren. Nur zusammen mit der deutschnational-reaktionären Kampffront Schwarz-Weiß-Rot um Vizekanzler Franz von Papen, Wirtschaftsminis ter Alfred Hugenberg und Arbeitsminister Fritz Seldte erhielt das HitlerKabinett knapp die Mehrheit der abgegebenen Stimmen und damit eine parlamentarische Basis. Der neu ernannte Reichskanzler schäumte und fühlte sich angespornt, den Reichstag umgehend auszuschalten. In Berlin lagen die Ergebnisse der NSDAP bei allen demokratischen Wahlen der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre stets deutlich unter der durchschnittlichen Zustimmung im Reich. Das scheint auf den ersten Blick die verbreitete Wahrnehmung des »republikanisch und demokratisch orientierten Berlins« zu bestätigen, das »niemals eine wirklich nationalsozialistische Stadt« gewesen, sondern »zielbewusst« usurpiert worden sei, und eine genauere Betrachtung überflüssig zu machen. Tatsächlich gibt es keine tief gehende Analyse der Wahlergebnisse der NSDAP in Berlin. 22
137 Stimmen hatte die NSDAP bei der Kommunalwahl am 25. Oktober 1925 in Spandau erhalten und damit nicht einmal im westlichsten Stadtteil, ihrer damaligen Hochburg, einen Sitz in der Bezirksverordnetenversammlung gewonnen. Bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin war die Hitler-Partei in korrekter Einschätzung ihrer Chancen gar nicht erst angetreten. Auf 984 467 Stimmen kam sie bei der letzten Kommunalwahl am 12. März 1933. Sie versiebentausendfachte ihr Ergebnis also gegenüber 1925 und wurde die mit Abstand stärkste Partei, wenn sie auch über 38,3 Prozent Anteil nicht hinauskam und damit unter dem Reichsdurchschnitt blieb. Insgesamt gab es in den siebeneinhalb Jahren zwischen diesen beiden Kommunalwahlen elf Abstimmungen in der Hauptstadt: fünf Reichstagswahlen (1928, 1930, im Juli und im November 1932 sowie am 5. März 1933), drei Wahlen zum Preußischen Landtag (1928, 1932 und ebenfalls am 5. März 1933), eine weitere Kommunalwahl (1929) und die beiden Wahlgänge zur Bestimmung des Reichspräsidenten (März und April 1932). In den jeweiligen Bänden der St atistik des Deutschen Reiches sowie der St atistischen Jahr bücher der Stadt Berlin sind teilweise detaillierte Auszählungen nach Bezirken und sogar nach Geschlecht der Wähler dokumentiert, so dass sich das Anwachsen der Hitler-Bewegung gut verfolgen lässt und auch die regionale Verteilung der Zustimmung im Vergleich zu anderen Ländern und Großstädten erkennbar wird. 23
Bei reichsweiten Abstimmungen gehörten die Ergebnisse der NSDAP in Berlin stets zu den schwächsten. Vergleicht man jeweils die Zahlen in den damals 35 Reichstagswahlkreisen, so erreichte der NSDAP-Anteil in der
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