Hitlers Berlin
volle Anerkennung und wärmsten Dank« ausgesprochen hatte. Weil die gesamte Bebauung an der Nordseite der Voßstraße abgerissen wurde, hatte ein Ausweichquartier für die regionale Parteiverwaltung gefunden werden müssen. Natürlich wollte der Gauleiter und Propagandaminister auch hier ein Zeichen setzen: Er entschied, das »Gauforum« direkt nördlich des Volksparks Friedrichshain neben dem Saalbau Friedrichshain zu errichten, einem großen Veranstaltungsgebäude, in dem Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre mehrfach Saalschlachten zwischen Kommunisten und Hitler-Anhängern stattgefunden hatten.
1936 stiftete Lippert im Namen Berlins eine größere Summe, um neben dem Saalbau die »Goebbels-Heimstätte« mit 147 Wohnungen für »alte Kämpfer« zu errichten – damals stand vermutlich schon fest, dass die Berliner NSDAP hier ihre (Verwaltung-)Zentrale errichten würde.
1936/37 war das Bauprogramm für die Gauforen noch nicht endgültig entwickelt; daher fiel das Bauvorhaben in der Straße Am Friedrichshain 22 kleiner aus als etwa in den gleichzeitig geplanten Gauforen in Weimar, Augsburg oder Dresden. Das dreistöckige Gebäude, das den Krieg unbeschadet überstand, ist ein eindruckvolles Beispiel der NS-Architektur in Berlin.
Obwohl also im Januar 1938 die Pläne für die Neue Reichskanzlei bereits komplett vorlagen, war der Bau einer derartig gigantischen Anlage in nur einem Jahr eine logistische und organisatorische Meisterleistung. In zwei Schichten von jeweils mindestens zehn Stunden schufteten
4500 ausgewählte Arbeiter auf der Baustelle. Engpässe bei Material oder Geld gab es nicht – allerdings wuchs der Unmut bei den Berlinern: Es kursierten Gerüchte über die verschwenderische Ausstattung, die die Realität noch erheblich übertrafen. Immerhin hatte das Regime allgemein die Löhne gekürzt und einmal pro Monat den »Eintopfsonntag« eingeführt. Die durch den Verzicht auf den Sonntagsbraten gesparten Pfennige sollten dem Winterhilfswerk gespendet werden. 17
Einer der Gründe für die Gerüchte war, dass die Baustelle mit hohen Sichtblenden geschützt wurde – was auch damit zu tun hatte, dass zwei riesige Luftschutzbunker unter dem Gebäude errichtet wurden. Ohne Rücksicht auf die Kosten wurde der Bau vorangetrieben; am 6. März
1939 waren Abschlagszahlungen an mehr als 150 Firmen geleistet worden, vier Fünftel davon aus Berlin. Die Gesamtkosten betrugen mehrere Dutzend Millionen Reichsmark. Allein für Baugrube und Fundamentierung bekam die Firma Erich Schwanz aus Neukölln 2,483 Millionen Reichsmark; für den Rohbau kassierte die Hochtief AG Abschläge von mehr als vier Millionen und die Philipp Holzmann AG mehr als fünf Millionen; die Marmorarbeiten, die das Tempelhofer Unternehmen Marmor-Industrie Kiefer in Rechnung stellte, kosteten über 2,5 Millionen Reichsmark; einer von mehreren Steinmetzbetrieben rechnete 1,763 Millionen Reichsmark ab. Hinzu kamen zahlreiche Posten, von den Teppichen in Hitlers Arbeitszimmer (220 000 Reichsmark) über die Regale in der nie genutzten Bibliothek (201 000 Reichsmark) und Luftschutztüren für die Bunker im Fundament (16 300 Reichsmark) bis hin zu Kaffeemaschinen (8 000 Reichsmark) und zur Nachlieferung versehentlich vergessener Armaturen (90 Reichsmark).
Trotz des enormen Einsatzes konnte die Reichskanzlei erst sechs Tage nach dem offiziellen Termin am 1.Januar 1939 übergeben werden. Albert Speer persönlich führte Hitler durch die noch nicht endgültig möblierten Räume. Am 9. Januar 1939 dankte der Reichskanzler bei einem Festakt im Sportpalast den insgesamt 8 000 am Bau beteiligten Arbeitern: »Jeder einzelne hat mitgeholfen an einem Baudenkmal, das viele Jahrhunderte überdauern wird und das von unserer Zeit sprechen wird, das erste Bauwerk des neuen großen deutschen Reiches.« In dieser Rede formulierte Hitler seine Auffassung von der Rolle Berlins als repräsentativem Mittelpunkt Deutschlands: »Daher ist es auch mein Bestreben, diesem neuen nunmehr ja größten Reich eine würdige Hauptstadt zu geben. Eine Hauptstadt, deren sich der Deutsche nicht mehr zu schämen braucht, wenn er ins Ausland kommt. Das soll nicht bedeuten, daß das übrige Reich dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird oder gar zurückbleibt. Im Gegenteil, ganz Deutschland soll es sein, überall wollen wir arbeiten, aber die Hauptstadt soll es sein als besonderer Repräsentant und in ihrer Größe die Größe des Staates zum Ausdruck bringen.«
Ein
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