Hitlers Berlin
zum Beispiel am 26. Februar und am 18. März mit jeweils mehr als tausend Maschinen sowie am 28. März mit 500 »Fliegenden Festungen«. Bormann schrieb während des ersten dieser Angriffe in einem Brief an seine Frau: »Jetzt habe ich gerade gehört, daß drei weitere Formationen feindlicher Bomber sich Berlin nähern. Die Radioberichte haben aufgehört, aber hier und da können wir in der Ferne dröhnende Explosionen hören. Ich frage mich, wie Berlin aussehen wird, wenn ich es das nächste Mal sehe.« Ende Februar oder Anfang März 1945 verlegte Adolf Hitler sein Quartier endgültig in den feuchten Bunker unter der Reichskanzlei; der genaue Termin lässt sich nicht mehr feststellen. Nur noch selten und dann für kurze Zeit wagte er es nun, aus seiner Höhle aus Beton ans Licht zu kommen. Am 3. März besuchte der Oberste Kriegsherr die Oderfront, um den Landsern Mut zu machen; es sollte das letzte Mal überhaupt sein, dass er das Areal der Reichskanzlei verließ.
Augenzeugen haben durchweg bedrückende Schilderungen der täglichen Lagebesprechungen im hermetisch abgeriegelten Bunker überliefert. Bernd Freytag von Loringhoven, Adjutant des Generalstabschefs des Heeres, berichtete: »Während der letzten Wochen wurden die Lagebesprechungen unten im Führerbunker in einem sehr, sehr kleinen Raum abgehalten (…) Die Menschen, die täglich zur Besprechung der militärischen Lage kamen, trafen sich dort in dem sehr kleinen Lageraum. Er war ungefähr drei mal vier Meter groß. Darin waren eine Wandbank, zwei oder drei Stühle und ein kleiner Tisch, auf dem zwei Lampen standen und auf dem die Karten ausgebreitet wurden. Alle Leute standen um diesen Tisch herum, wo Hitler in einem Stuhl saß. (…) Der Raum wurde von einer Glühbirne in der Mitte des Zimmers beleuchtet.«
Außerhalb des absolut sicheren Hauptbunkers herrschte immer mehr das Chaos. Goebbels hatte Berlin Anfang Februar 1945 zur »Festung« erklärt; gleichzeitig wollte der Propagandaminister, der in Personal union auch »Beauftragter für den totalen Kriegseinsatz« war, in der Stadt vier neue Divisionen aufstellen. In Frage kamen Hitler-Jungen, alte Leute, halbwegs genesene Verwundete und die vielen bisher wegen der Bedeutung ihrer Aufgaben vom Dienst an der Waffe befreiten Männer. Doch gerade diese, häufig in Ministerien, Parteidienststellen oder Stäben beschäftigten Berliner setzten sich jetzt ab. Goebbels höhnte am 8.Februar: »In Berlin betätigt sich die Luftwaffe wieder einmal als Fluchtwaffe.« Ein interner Bericht des SD-Leitabschnitts Berlin stellte fest: »Alle möglichen Dienststellen und führenden Leute [bemühen sich], sich schleunigst in Sicherheit zu bringen (…) Die Parteidienststellen verschwinden zumeist nach Bayern, und zwar die besseren nach Landshut und Berchtesgaden.« Doch ebenso begannen Teile der Wehrmachtsverwaltung, zum Beispiel die Feindanalyseabteilung »Fremde Heere Ost«, und Dienststellen des SS-Imperiums, mit ihren Akten Richtung Flensburg oder nach Oberbayern auszuweichen. Wer immer sich einen Passierschein ausstellen lassen, erschwindeln oder fälschen konnte, ging Richtung Westen. Zurück blieben jene mindestens zwei Millionen Menschen, die die Hauptstadt weder durch Militärdienst noch durch Kinderlandverschickung, weder durch Flucht zu Verwandten noch durch offizielle Evakuierung rechtzeitig verlassen hatten. Ihr seelischer Zustand lässt sich am ehesten mit dem Begriff »Emotionslähmung« umschreiben; diese nur noch auf das unmittelbare Überleben gerichtete Haltung hielt sich über die Kapitulation Berlins am 2.Mai hinaus. 5 Wann genau Hitler entschieden hatte, im Bunker in Berlin sein Leben zu beenden, ist unklar.Vielleicht warnte ihn sein Instinkt davor, die Flucht anzutreten, wie es Mussolini getan hatte. Die Reichshauptstadt war immer sein Ziel gewesen, das er erst angestrebt, dann erobert und schließlich uneingeschränkt beherrscht hatte. Möglicherweise erkannte er nach dem Scheitern der Ardennenoffensive am Heiligen Abend 1944, dass nun das Ende seines Krieges und damit seines Lebens unausweichlich war. Vielleicht hat er aber auch lange Zeit keine eindeutige Entscheidung getroffen, sondern die Dinge, wie so oft, sich einfach entwickeln lassen, bis ihm kein Ausweg mehr blieb. Alle Zeitzeugen, die sich dazu geäußert haben, geben lediglich ihre eigenen Interpretationen wieder, die stets vom Ende im Bunker dominiert werden – das zudem beinahe immer als eine Art »Götterdämmerung« beschrieben
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