Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
Vom Netzwerk:
der im Süden gegen weit geringeren Widerstand vorstoßenden Gardedivisionen bereits auf Potsdam und Babelsberg zu und näherte sich die 47. sowjetische Armee dem westlichsten Berliner Stadtteil Spandau. Nur ein wenige Kilometer breiter Streifen entlang der Reichsstraße 1 nach Westen blieb unter Kontrolle der Wehrmacht.

    »Leider nicht gerade eine Geburtstagslage«, notierte Martin Bormann am 20. April 1945 in seinen Kalender. Treffender hätte er die Situation nicht beschreiben können. Zwar redete Joseph Goebbels wie üblich im Rundfunk und ließ wie üblich große Gratulationsartikel in die wenigen noch erscheinenden deutschen Zeitungen setzen: »Der Führer ist Deutschlands tapferstes Herz« lautete zum Beispiel die Überschrift in der Berliner Morgenpost. Und weiter: »Wir stehen zu ihm in germanischer Gefolgschaftstreue – Sie können uns quälen, aber nicht demütigen und zerbrechen!« Doch solche Botschaften machten keinen Eindruck mehr. Ursula von Kardorff hielt fest: »Hitlers Geburtstag! Fragte mich bei der Rede von Goebbels, die ich mir zum ersten Mal freiwillig anhörte, ob dies schon Irrsinn oder einfach Raffinesse ist, ob er kaltblütig eine Doppelrolle spielt?« Die Situation im Bunker der Reichskanzlei war vollends gespenstisch geworden. Hitlers Sekretärin Traudl Junge schrieb über den
    20. April: »Die ersten russischen Panzer standen vor Berlin. Der Donner der Infanteriegeschütze drang bis in das Gebiet der Reichskanzlei. Der Führer empfing die Glückwünsche seiner Getreuen. Alle kamen, drückten ihm die Hand, gelobten Treue und versuchten, ihn zum Verlassen der Stadt zu bewegen. (…) Sie alle versuchten es umsonst. Hitler wollte bleiben und abwarten.« Ihre Kollegin Christa Schroeder erinnerte sich: »Die Gratulationscour des persönlichen Stabes und der Militärs am Vormittag war im Vergleich zu früheren Jahren in sehr gedämpfter At

    Das letzte Bild: Hitler und Julius Schaub in den Trümmern der Neuen Reichskanzlei, April 1945

    mosphäre erfolgt. Umso aufdringlicher war die Gratulationscour der Alliierten, indem sie fast unentwegt vom frühen Morgen bis zwei Uhr nachts rollende Luftangriffe auf Berlin flogen. Wir kamen aus dem Bunker nicht mehr heraus.« 8
    Zwei Tage später versuchten die führenden Militärs der Wehrmacht ein letztes Mal, Hitler zur Flucht nach Berchtesgaden zu bewegen. Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel beschrieb diese Besprechung so: »Am
    22. April entschloß sich der Führer, in Berlin zu bleiben. Er erklärte, daß er die Stadt auf keinen Fall verlassen und, unmittelbar die Truppen führend, den Verlauf des Schicksals abwarten werde. An diesem Tag machte der Führer auf mich einen sehr niedergeschlagenen Eindruck; bis zu dieser Zeit waren mir nicht ein einziges Mal Zweifel an seiner psychischen Vollwertigkeit gekommen (…) Dabei war das Gespräch auch überaus scharf und endete damit, daß der Führer mich einfach aus dem Zimmer vertrieb. Beim Hinausgehen sagte ich zu Generaloberst Jodl: ›Das ist der Zusammenbruch!‹« Luftwaffen-Adjutant Nicolaus von Below erinnerte sich an Hitlers Wutanfall, den er durch die geschlossene Tür hindurch verfolgt hatte: »Es war eine furchtbare halbe Stunde. Nach diesem Ausbruch war er sich aber über das Ende im Klaren. Er befahl Keitel und Jodl, sich zu Dönitz [nach Flensburg] zu begeben und den Kampf an dessen Seite fortzusetzen. Er, Hitler, werde in Berlin bleiben und sich das Leben nehmen.« Bormann schrieb in seinen Kalender: »Der Führer bleibt in Berlin!« Zwischen dem 20. und dem 23.April dürften auch die letzten Fotos von Hitler entstanden sein; wie verkrochen in seinen schweren Uniformmantel sieht man ihn in den Ruinen der Neuen Reichskanzlei, während sein Chefadjutant Julius Schaub auf ihn einredet. Auch diesen langjährigen Gefährten schickte Hitler nun fort, und zwar nach Bayern. Schaub, der die privaten Papiere des Diktators mitnahm, hatte einen klaren Auftrag: Auch in der Münchner Wohnung und auf dem Obersalzberg sollte alles Persönliche verbrannt werden. Schaub erwies seinem Herrn diesen finalen Dienst.

    Während die Rote Armee bereits in den Außenbezirken Berlins »antifaschistische« Übergangsverwaltungen eingesetzt hatte (in Weißensee am 23., in Zehlendorf am 25. und in Köpenick am 26. April), musste die verbliebene Wehrmachtsführung auf ein nie zuvor dagewesenes System der Lageanalyse zurückgreifen, das der Ordonanzoffizier Gerhard Boldt beschrieben hat: »Da die Meldungen aus den

Weitere Kostenlose Bücher