Hitlers Berlin
auch Bormann am frühen Morgen des 2.Mai 1945 in der Invalidenstraße durch Gift – er sah sich von Rotarmisten umzingelt. Damit waren alle wichtigen Bewohner des Führerbunkers tot. Das Dritte Reich war vorüber. 11
EPILOG
Berlin nach Hitler
Die Weltgeschichte kennt keinen Menschen, der eine Stadt, ein Land, einen ganzen Erdteil in so kurzer Zeit so sehr verändert hat wie Adolf Hitler in den Jahren 1933 bis 1945 Berlin, Deutschland und Europa. Die Folgen seiner Visionen einer »rassisch reinen Volksgemeinschaft«, eines »Volkes ohne Raum« waren 50 Millionen Tote, davon wahrscheinlich mehr als zehn Millionen Opfer zuvor nicht für möglich gehaltener Verbrechen, hunderte zerstörte Großstädte und für viereinhalb Jahrzehnte eine geteilte Stadt, ein geteiltes Land und ein geteilter Kontinent. Seit dem Ende des Dritten Reiches sind sechs Jahrzehnte vergangen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist heute niemand mehr am Leben, der im Zweiten Weltkrieg Schuld auf sich geladen hat. Doch die Hoffnung, es werde irgendwann »Gras über die Sache wachsen«, hat sich trotzdem als trügerisch erwiesen. Dafür war der Zivilisationsbruch, der sich bis heute mit Namen wie Auschwitz, Babi Jar und Charkow verbindet, zu tief. Symbolisch für den Holocaust etwa steht das Haus am Berliner Wannsee, an dessen idyllischem Ufer jene Konferenz stattfand, auf der das Ziel der organisierten Ausrottung einer ganzen Religionsgemeinschaft den beteiligten Bürokratien offiziell bekannt gegeben wurde. Allein diese Konferenz macht es unmöglich, das Erbe der zwölf braunen Jahre in Berlin zu »überwinden«, diese Vergangenheit zu »bewältigen«.
Es geht im Gegenteil gerade darum, sich den Belastungen seiner Vergangenheit offen zu stellen. Als der Bundestag 1991 die Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes nach Berlin beschloss, erhoben sich von Kritikern dieser Entscheidung Warnungen, Ministerien und andere Institutionen der Bundesrepublik dürften niemals in Räumlichkeiten untergebracht werden, die einst im Auftrag des NS-Regimes errichtet worden waren. Zu Recht hielt Jörg Haspel, Berlins Landeskonservator, dagegen: »Wer, wenn nicht demokratische Institutionen, soll sich mit der Geschichte solcher Bauten auseinander setzen?« Heute amtiert das Auswärtige Amt in der einstigen Reichsbank (errichtet 1933 – 1936), das Umweltbundesamt in der ehemaligen Reichsleitung des Reichsarbeitsdienstes (1936 –1938), das Sozialministerium im früheren Propagandaministerium (1934 –1938) und der Bundesfinanzminister in Görings riesigem Luftfahrtministerium (1935/36). Das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, des bisher wichtigsten Sportereignisses im vereinigten Deutschland, wird im Olympiastadion von 1936 stattfinden. Doch weil sich die neuen Hausherren mit der Vergangenheit der Gebäude auseinander gesetzt haben statt sie zu verschweigen, gibt es daran kaum und jedenfalls keine berechtigte Kritik.
Fast genau sechzig Jahre nach Hitlers Selbstmord wird im Mai 2005 in Berlins Mitte, auf dem zuvor nie bebauten Grund der Ministergärten und nur einige hundert Meter von den wenigen unterirdischen Resten des Führerbunkers, die nationale Erinnerungsstätte für die Opfer des Holocaust eingeweiht. Ein wie ein wogendes Getreidefeld wirkendes Meer aus 2751 dunkelgrauen Betonstelen soll das Erschrecken der nachgeborenen Generationen symbolisieren. Es ist beileibe nicht das erste Mahnmal für die Opfer von Hitlers Wahnsinn in der alten, neuen deutschen Hauptstadt – allerdings tatsächlich das erste, bei dessen Planung sich der Gedanke durchgesetzt hat, die schiere Größe der Gedenkstätte müsse proportional zur Größe des Verbrechens sein, an das erinnert wird. Ob dieses Konzept überzeugen wird, mögen die kommenden Jahrzehnte erweisen. Auf jeden Fall wohl wird sich Peter Eisenmans Mahnmal für die ermordeten Juden Europas zu einem der wesentlichen Anziehungspunkte für Berlin-Touristen aus aller Welt entwickeln – wie die Museumsinsel, das wahrscheinlich erste Ziel Hitlers in Berlin 1916, und der Checkpoint Charlie, der bedeutendste, allerdings in der Berliner Kommunalpolitik noch immer umstrittene Erinnerungsort für die auf Hitlers Krieg zurückgehende Teilung Berlins und Deutschlands. 1
Auch deutsche Medien unterliegen mitunter der Versuchung, mit der Last der Vergangenheit Politik machen zu wollen. Als Anfang November 2004 die britische Königin zum Staatsbesuch in die Bundeshauptstadt kam und das Galadinner im von Ioeh Ming
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