Hitzeflimmern
ist das egal“, sagte er lakonisch.
„Ich glaube, dir ist es nicht egal“, imitierte sie seinen Tonfall.
Das tat sie nur sehr selten und immer hatte es ihm den letzten Nerv geraubt. Doch heute war es anders. Er wusste, dass sie ihn provozieren wollte. Wusste, dass sie seinen Ärger herausfordern wollte. Doch es störte ihn kaum. Es war ihm fast gleichgültig. Es räumte ihm nur das Recht ein, sich zu rächen. Mit unendlicher Befriedigung sagte er:
„Das Datum passt mir nicht. Ich habe dann Besuch und du musst die Kleinen woanders unterbringen. Will deine Mutter nicht mehr als Auffanglager für sie herhalten? Sind sie nicht mehr niedlich genug? Oder hast du sie bereits so verzogen?“
Sie ignorierte den Vorwurf und fragte: „Wen hast du denn zu Besuch?“
„Kennst du nicht und wäre dir gleichgültig“, sagte Karl.
„Wer denn?“ beharrte sie.
„Was sind schon Namen, aber gut sieht sie aus“, meinte er genüsslich.
„Du Schwein, du hast nicht mal eine Ahnung, was für ein mieses Schwein du bist!“ schrie Christelle gellend. Dann verstummte sie.
Eine Pause trat ein und Karl fühlte die Schadenfreude in sich aufsteigen. Es tat wohl, einmal nicht vor den Kopf gestossen zu werden. Es tat noch viel wohler, vor den Kopf zu stossen. Christelles Eifersucht war immer eine ausgeklammerte Grösse zwischen ihnen gewesen. Wann immer es ihr eingefallen war, eifersüchtig gegenüber irgendwem zu werden, hatte er stets vorgebracht, sie könne sich ja mehr um ihn kümmern. Er hätte schliesslich genügend Grund, sich umzusehen. Christelle war daraufhin widerholt verstummt und das Thema war unter den Tisch gefallen.
Es war ein riskantes Spiel gewesen, denn er hatte sich durchaus umgesehen. Er hatte andere Frauen getroffen. Das wusste Christelle offiziell nicht. Sie hatten nie darüber geredet. Doch Karl ging davon aus, dass sie es eigentlich hätte wissen müssen und es absichtlich ignorierte. Er glaubte, dass sie sein schlechtes Gewissen zum Garanten ihres zölibatären Lebenswandels genommen hatte.
Umso mehr brannte er auf Rache dafür, dass sie ihn letztlich wegen eines anderen Mannes verlassen hatte. Nicht um in Indien zu meditieren oder was sonst für eine ausgefallene Selbstfindung. Einfach nur wegen einer Bettgeschichte.
„Ich glaube wir sind durch“, sagte Karl.
Grusslos und mit bösem Lächeln legte er den Hörer nieder und blickte in Varyas entsetztes Gesicht, ehe sie wie einen Schleier ihr nichtssagendes Lächeln überzaubern konnte.
Es war ein befreiender Moment, sich wie ein Arschloch zu verhalten und sich bei niemandem entschuldigen zu müssen.
Anton hatte Angst. Er hatte oft Angst. Das war so seitdem er sich entsinnen konnte. Es kam unter anderem daher, dass er sich nicht gut zu wehren verstand. Er hatte sich immer hinter jemandem verstecken müssen, der stärker war als er. Anton dachte nicht gerne daran, doch regelmässig holte ihn seine Schwäche quälend ein. Er war nicht von dem Schlag, der einfach für sich sorgen konnte. Er war einer, der folgen musste. Seine Freiheit bestand nur darin, sich zu entscheiden, wem er folgte.
Anton machte sich daran, Stimmung für MetalO zu machen. Er sammelte all seine Unterlagen und er sammelte seinen Mut. Davon war nicht viel zugegen. Wenn er sich aber ausmalte, was ihn treffen würde, wenn er MetalO nicht als Lieferanten einbrachte…
Seine Finger verkrampften sich, als er in das Büro von Georg Westermann aus dem Einkauf trat.
„Haben Sie einen Augenblick Zeit?“ fragte er.
Georg liess die Hand sinken, mit der er nach dem Telefonhörer hatte greifen wollen, und bejahte.
„Es geht um MetalO“, fing Anton an.
„Die sind glaub nicht gut genug für unsere Ansprüche“, bemerkte Georg.
„Für Grafs Ansprüche, meinen Sie“, wandte Anton ein.
„Der liegt selten falsch bei diesen Dingen, nicht?“
„Hören Sie, wir sollten MetalO nicht vorschnell ausschliessen, sie sind preiswert und sie können uns sogar noch entgegen kommen. Wussten Sie das schon?“ fragte der Fertigungsmanager.
„Nein das wusste ich nicht. Ich dachte, wenn sie mieses Zeug liefern ist es uns egal, ob sie die Marge drücken“, gab Georg zu bedenken.
Anton beharrte weiter auf seinem Standpunkt und erreichte schliesslich, dass Georg einwilligte, die Unterlagen von MetalO noch einmal seinem Vorgesetzten vorzulegen. Er ging den Stapel nur flüchtig durch und übersah, dass Karl Grafs Einschätzung durch eine gegenteilige Empfehlung ersetzt war.
MetalO, das wusste
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