Hitzeflimmern
werden würde.
Fayna hatte am Donnerstag gegen Abend Zeit und schlug das Alba vor. Die Bar bot einen malerischen Blick über den weiten Dnjepr, wenn man von der rostigen Werft gleich vor dem Fenster absah.
„Hallo“, sagte sie abweisend, als Karl hinzutrat.
„Guten Abend Fayna“, erwiderte er.
Sie war offensichtlich nicht begeistert von dem Treffen. Er betrachtete sie sehr genau. Versuchte zu ergründen, was so besonders an ihr war. Was es war, das ihm denn das Gefühl gab, er müsse sie um jeden Preis haben. In der Ebenmässigkeit ihres Gesichts fiel ihm zum ersten Mal ihre breite Nase auf. Ihr Nasenrücken hob sich nur wenig hervor und einen Augenblick erinnerte sie ihn an eine Figur aus den Zeichentrickfilmen, die seine Kinder immer schauten. Die Erkenntnis war wie ein Einbruch von Realität in sein Bild perfekter Schönheit.
Sie spielte mit dem Strohhalm in ihrem Glas und liess die Eiswürfel tanzen.
„Und was machst du so?“ fragte sie.
Karl zuckte die Schultern. „Ich versuche neben aller Arbeit eine vernünftige Freizeit zu verbringen.“
„Gehört Erpressung bei dir zur vernünftigen Freizeitgestaltung?“ fragte sie spitzzüngig.
Karl sah sie nur konsterniert an und sie entschuldigte sich leichthin für die Bemerkung.
Warum eigentlich, fragte er sich.
„Ich glaube, es ist nicht besonders spannend über mich zu reden“, bemerkte er dann. „Hast du nicht einmal ein Studium machen wollen? Sprachen oder so?“
„Doch, ich will meinen Studienabschluss. Das will ich immer noch. Aber ich kann nicht meine Mutter putzen schicken, damit ich studieren kann. Meine Mutter ist eine Dame mit perfekten Umgangsformen. Und perfekten Händen und Nägeln. Das kann ich ihr nicht antun. Es ist besser, ich mache eine gute Arbeit und schliesse gute Kontakte. Vielleicht komme ich dann später irgendwann zu meinem Abschluss“, sagte Fayna. Es klang wie eine lang zurückgehaltene Redeflut und er glaubte zu verstehen, dass ihr Ehrgeiz sie bis hin zur Leidenschaft beflügelte. Es bedeutete ihr wirklich eine Menge.
„Machst du das denn noch? Ich meine, das Studium?“ fragte er.
„Wie soll ich die Zeit dafür aufbringen? Nein, ich arbeite und versuche nicht alles zu vergessen. Fremdsprachen vergisst man doch so schnell. Aber ich versuche, für die Studiengebühren zu sparen.“ Sie nahm einen Schluck von ihrem Wodka Tonic ehe sie fortfuhr: „Bevor mein Vater in der Krise die Arbeit verloren hat, war das alles kein Problem. Es ging uns sogar recht gut und meine Mutter hatte eine schöne Arbeit in einem Möbelgeschäft. Sie hat einen exquisiten Geschmack und kann sehr freundlich beraten. Aber inzwischen sind solche Stellen Luxus und sie wurde als eine der ersten gestrichen. Genau wie mein – mein Vater. Jetzt hängen die Familieneinkünfte an mir und meinem Bruder.“
„Was macht denn dein Bruder?“ fragte Karl.
„Er hat eigentlich eine technische Ausbildung, aber weil er kräftig aussieht arbeitet er jetzt als Türsteher. Die Unterhaltungsbranche stirbt wohl zuletzt“, erklärte Fayna seufzend.
„Doch nicht zufällig hier?“ fragte Karl.
„Nein, in einem Club, den ich nie betreten würde. Aber sie zahlen nicht schlecht“, erklärte sie. „Es gehört dazu, dass er die Tänzerinnen nachher heimbringt. Es ist ein sogenannt anständiges Striplokal.“
Karl grinste. Ihre Geschichte war ein wenig skurril und er zog in Zweifel, ob alles der Wahrheit entsprach. Mit Sicherheit aber war es unterhaltsam. Und sie trank keinen Martini.
„Und wer ist dein Freund?“ fragte er forsch.
„Glaub mir, darüber will ich jetzt wirklich nicht reden“, erwiderte sie fest.
„Gut“, sagte Karl. „Gehen wir.“
Sie verliessen das Alba und Fayna ging in langsamen Schritten. Widerholt hob sie an, etwas zu sagen, liess es aber bleiben und Karl war nicht danach, zu fragen. Er brachte sie ins Haus und schob sie ins Schlafzimmer als triebe ihn eine unentrinnbare Macht zu ihr, in sie, über sie. Es war wie ein Ergeben, ein Nachgeben. Es war Karls ganze Hingabe, als er mit schwerem Atem und in Schweiss gebadet über Fayna sank.
Endlich hatte er sie wieder.
„Was ist im oberen Stockwerk?“ fragte Fayna, als sie in einem seiner Sporthemden durch das Haus streifte.
„Dort liegen die Gemächer meiner Exfrau“, sagte er kühl.
„Aha“, sagte sie, blickte nach der weissen Treppe ins leere Obergeschoss und wandte sich den Bildern an der Wand zu.
„Sind das deine Kinder?“ fragte sie, während sie nah zu
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