Hitzeflimmern
er wies Anna an, über Mittag nach seinem Haus zu fahren, ihm frische Kleider zu holen und seinen vom Besuch im Lagerhaus verstaubten Anzug zur Reinigung zu bringen. Anna nickte etwas betroffen und machte sich auf den Weg, während Karl die Besprechungen vorbereitete.
Als seine Assistentin zurückkam und ihm ein blütenweisses Hemd und einen frischen hellgrauen Anzug brachte, dankte er abwesend und ging um sich umzuziehen. Anna schüttelte den gesenkten Kopf, als sie ihm nachsah und machte sich an die Arbeit. Etwas Kleines gegessen hatte sie im Wagen.
Es ging schon gegen acht Uhr, als Karl nach Hause kam, er war müde und sehr hungrig. Schon an der Türe aus der Garage empfing ihn das laute Durcheinander jüngerer und älterer Stimmen, wobei Leandras Krähen alle zu übertönen vermochte.
Karl trat ein und sah Bastian vor dem Fernseher, seine kleine Tochter in der Küche im Kampf mit der Haushälterin um ein Eis und Zoya in aller Seelenruhe auf dem Sofa mit ihrem Ipod.
Ehe er sich fragen konnte, was die Haushälterin um diese Zeit hier noch tat, hob sie an, ihn in Ukrainisch aufzuklären: „Herr Graf, ich habe immer gerne für Sie und Ihre Familie gearbeitet, aber seitdem diese Person hier ein und aus geht, bin ich am Ende. So geht es nicht. Sie macht ein Durcheinander, ich muss jedes Mal erst mehr als eine Stunde aufräumen, bis ich mit dem Putzen überhaupt anfangen kann. Und dann habe ich ganz schlimme Sachen gefunden, ich kann es Ihnen gar nicht sagen. So geht es nicht weiter. Ich weiss, Sie sind ein anständiger Mann. Ich muss Ihnen sagen, Sie müssen hier für Ordnung sorgen. Diese Person tut nichts für die Kinder, immer hängen sie an mir. Ich komme zu nichts, schauen Sie nur, wie es hier aussieht, schauen Sie nur, ein Elend ist das…“
Karl hob die Hand um ihren Redefluss zu unterbrechen.
„Was ist los?“ fragte er. Sie traf immer wieder Lücken in seinem Ukrainisch und er verstand nur einen Teil.
„Ich sage Ihnen, ich will so nicht arbeiten. Ich bin nicht das Dienstmädchen für diese Person. Ich bin Haushälterin und Sie wissen bei meiner Seele, dass ich gut arbeite. Sie können sich immer auf mich verlassen. Aber so geht es einfach nicht. Und dann kam auch noch diese Frau aus Ihrem Büro heute vorbei, ach Gott, hat die drein geschaut, als sie da gewartet hat. Ich habe mich doch so beeilt, die frischen Sachen zu holen, aber in der Zeit war ein Geschrei, dass es einem die Ohren betäubt. Sie glauben es nicht. Die Kinder schreien, die da schreit, es ist furchtbar. Sie liegt nur herum und hört ihre Musik oder will fernsehen und wenn die Kinder sie etwas fragen, will sie nur in Ruhe gelassen werden. Was ist denn das für ein Kindermädchen, frage ich Sie? Diese Person ist nichts für die Kinder. Ich sage es Ihnen im Vertrauen. Die ist nichts wert“, sagte sie.
„Papa, Papa ich will Glacé essen!“ rief Leandra weinerlich in Schweizerdeutsch dazwischen.
„Hm“, machte Karl nur. „Gibt es etwas zu essen?“
„Ja sicher, sicher“, erklärte die Haushälterin. „Ich richte Ihnen etwas her. Den Kindern habe ich schon etwas zu essen gemacht, auch wenn das nicht meine Arbeit ist. Das sollte diese Person tun, aber die macht gar nichts. Herr Graf, ich bitte Sie, schmeissen Sie die raus. Sie macht wirklich furchtbare Dinge! So kann ich nicht abreiten, bei meiner Seele…“
„Was machte sie denn für furchtbare Dinge?“ fragte Karl mehr der Form halber. Er hatte Hunger und wollte seine Ruhe. Man hatte den ganzen Nachmittag schon genug auf ihn eingeredet.
„Sie…“, die Haushälterin brach ab. Sie rang mit sich, während sie Wasser aufsetzte und eingelegtes Gemüse auftischte. „Sie raucht“, sagte sie schliesslich.
Er zog die Brauen zusammen und zuckte die Achseln.
„Na ja“, meinte Karl und ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Dann machte er sich daran, seine Kinder anständig zu begrüssen, was ihm noch nicht gelungen war. Zoya blickte gelangweilt auf, während er Bastian vom Sofa pflückte und ihn fragte, was er denn heute getrieben hatte. Leandra kam hinzu, während ihr Bruder von den Abenteuern aus dem Kinderfernsehen erzählte und brachte ihre Lust auf Eis wieder ein.
„Hast du denn richtig zu Nacht gegessen?“ fragte Karl.
„Pelmeni“, erklärte Leandra. Offensichtlich hatte sich die Haushälterin mit ihrem Nachtessen alle Mühe gegeben.
„Dann kannst du Glacé haben“, erklärte er. „Und du natürlich auch, wenn du willst“, fuhr er fort, ehe Bastian
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