Hitzeflimmern
den Fotos trat und Karl bejahte. Sie betrachtete die Bilderstrecke ausgiebig und fragte dann nach den Namen der Kleinen.
„Es hat auch ihr kleines Fitnessstudio oben, falls dir danach ist“, meinte er.
„Danke, ich bekomme auch so genug Bewegung“, bemerkte sie und liess sich in einen Sessel sinken.
Ihre Fussnägel waren in grell schimmerndem Rosa lackiert, ein Kontrast zu ihrer gedeckten Businesskleidung. Doch das verstärkte nur ihren Reiz, machte sie noch anziehender, noch frischer und süsser, noch berauschender.
„Könnte ich jetzt gehen?“ fragte sie.
Für die kommende Woche waren Leandra und Bastian bei Karl und Zoya hatte die Tickets erhalten, um die Kleinen in Zürich abzuholen. Der Besuch hatte sich durch Karls Streit mit Christelle verschoben und aus vier waren sechs Wochen geworden.
Obgleich Zoya auch während der Zeit, als sie niemanden zu beaufsichtigen gehabt hatte, ihren Lohn bezogen hatte, zeigte sie sich wenig begeistert, nun ihre Verantwortung für die beiden wieder zu übernehmen. Mit unüberhörbarem Seufzen nahm sie die Papiere und Karls Anweisungen entgegen und als er sie lauthals auslachte, schob sie das Kinn nach vorne und verzog sich mit dem Stapel.
„Zieh dir wenigstens was an, wenn du auf die Kleinen aufpasst“, rief er ihr nach.
Zoya zuckte die Schultern und antwortete nichts.
Christelles Anruf aber versicherte ihn ausreichend, dass Zoya seinen Rat in alle Winde geschlagen hatte: „Was erwartest du eigentlich? Dass ich meine Kinder einem derartigen Flittchen mitgebe?“
„Was denn?“ fragte Karl. Er war mit dem Kopf an einem vollkommen anderen Ort.
„Wie sich diese Person schon aufmacht. Das geht doch nicht für ein Au-pair. Wie kommst du nur darauf, ihr unsere Kinder zu überlassen?“ bekräftigte Christelle. Sie klang ziemlich besorgt.
„Zoya ist nicht gerade die Botschafterin für Knigge, aber sie ist ganz in Ordnung“, meinte er abwesend. Er musste einen Brief konzipieren und war vorher schon mehrfach aufgehalten worden.
„Karl!“, rief sie. „Hörst du mir überhaupt zu?“
„Ich habe, seitdem du mich verlassen hast, glaube ich keine Verpflichtung mehr dazu“, meinte er.
„So kann es doch nicht weitergehen! Das ist doch keine Art miteinander zu reden“, rief Christelle entsetzt.
Er riss sich vom Bericht los und versuchte sich auf ihre Sorgen zu konzentrieren. „Sie sind ja nicht allein mit ihr, ich bin auch noch da und die Haushälterin ausserdem. Die haben die beiden auch gern gehabt, oder?“
„Wer ist die denn? Diese Zoya? Hast du was mit der am Laufen?“ fragte sie unvermittelt.
„Und wenn schon?“ fragte er wider.
„Karl! Das ist doch keine Grundlage, um jemanden auszusuchen, der deine Kinder beaufsichtigt. Bist du wirklich so unvernünftig? Oder so rücksichtslos?“ stiess Christelle vor.
„Warum regst du dich so auf. Du hast eine Woche frei und dann bekommst du die Kleinen geputzt und gestriegelt zurück. Über alles andere brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen“, meinte er.
„Ich zerbreche mir aber den Kopf, ich bin ihre Mutter und im Gegensatz zu ihrem Vater mache ich mir Sorgen um sie“, beharrte sie.
„Letztens, als du sie mir wegen deinem Romantikausflug hast abschieben wollen, war dir das egal, meine ich“, wandte er ein und Christelle hieb den Hörer auf den Tisch ehe sie einhängte.
Karl rieb sich das Ohr, das von dem lauten Knall noch schmerzte.
Anton machte sich auf den Weg. Er schloss die Bürotür und ging zu seinem Wagen. Es würde nicht leicht werden. Im Gegenteil. Es waren die schlimmsten Momente.
Er fuhr zu den Werften am Westufer und passierte immer schäbigere Lagerhäuser und rostiges Fördermaterial, das hier allmählich verfiel. Einige Krane und Güterzüge stammten noch aus der Sowjetzeit.
Endlich erreichte er das vergleichsweise solide gebaute niedere Gebäude. Er klopfte an die kleine Metalltüre und Yakiv öffnete, ein massiger Riese mit tief ins Gesicht gezogener Mütze. Wortlos liess er Anton passieren und dieser ging durch den kahlen Vorraum in das Zimmer.
Dort sass der Bär. Man nannte ihn nur so. Dass er einen bürgerlichen Namen hatte, war vergessen gegangen. Der Bär arbeitete für Bohdan Wisnieski, dem hier überhaupt niemand begegnete. Die wenigsten kannten ihn. Der Bär aber reichte aus, um den höchsten Respekt für Wisnieski einzufordern.
„Nun?“ fragte der Bär. Er hatte den friedfertigen Bariton eines choralverwöhnten Popen.
„Sie haben bestellt. Ich habe
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