Hitzeflimmern
erzählen, dass sie fünf Pizzas verdrückt hat?“ fragte er.
„Gib mir endlich!“ schrie Zoya und ihre Stimme gellte durch die ruhigen Gärten des grünen Villenquartiers.
Karl legte die Hand auf ihren Arm und betrachtete sie genauer. Und plötzlich erkannte er, wie schlecht es ihr ging. Ihre Augen waren gerötet und sie zitterte. Ihre Haut war kalt von Schweiss, obgleich es nicht mehr warm war und ihr Atem flog nur so.
„Für was brauchst du das Geld, Zoya?“ fragte er.
„Ich brauch es zurück“, sagte sie und taumelte leicht.
„Gut, wenn du es nicht sagst, dann kannst du gehen“, erwiderte er.
„Du fieses Arschloch, du willst nur, dass alles nach dir geht. Ich hasse dich!“ schrie Zoya und am Nebenhaus wurde schwungvoll ein Laden geschlossen. Da ergriff Karl wieder ihren Oberarm und zog sie hinter sich ins Haus.
Fayna hatte sich vollständig angekleidet und richtete eben ihre Strümpfe, ehe sie in ihre hochhakigen Schuhe schlüpfte.
„Ich gehe“, sagte sie in Deutsch, so wie sie gewöhnlich miteinander sprachen.
„Was will die?“ fragte Zoya in Englisch und Fayna erklärte in Englisch:
„Ich bin weg.“
„Gut, du bist sowieso eine dumme Schlampe und dich braucht hier niemand“, rief Zoya zufrieden.
„Und du bist ein Junkie und wer dich braucht, der tut mir leid“, erwiderte Fayna leise und öffnete die Haustüre.
Karl war dem schnellen Schlagabtausch gefolgt, ohne zu Wort zu kommen. Die raschen Sprachwechsel und die Beschimpfungen gaben ihm urplötzlich das Gefühl, einer fremden Welt, einer neuen Generation gegenüber zu stehen. Sprachen die gewöhnlich so miteinander? überlegte er erstaunt. Dann dämmerte ihm plötzlich Zoyas Launenhaftigkeit und er verstand, was ihm die Haushälterin hatte andeuten wollen. Vielleicht war das auch Annas Problem von Privat und Geschäftlich gewesen und der Gedanke war ihm ernstlich unangenehm. Es lag auf der Hand, Zoya rauchte oder schluckte oder schnupfte weiss Gott was.
„ Fayna, warte“, sagte er reflexartig, als diese hinaustrat. Doch sie drehte sich nur über die Schulter um und sagte warm:
„Gute Nacht, Karl.“
Er blickte ihr unwillig nach, noch immer die Hand um Zoyas schweissigen Arm gelegt.
Als die Türe geschlossen war, sagte diese schmeichelnd: „Was machen wir jetzt?“
Kurzerhand entschied sich Karl, dass es eine durchaus schlechte Idee war, einer Süchtigen Geld zu geben, nur weil sie es verlangte. Sie würde ihn ohne weiteres zum Goldesel in jedem Sinne des Wortes küren und das war keine rühmliche Rolle.
Entsprechend drückte er ihr 200 Hrywnja für eventuelle Ausgaben im Sinne der Kinder in die Hand und wollte sie zur Türe schieben.
„Das ist viel zu wenig!“ rief sie.
„Für was? Ich weiss selber, was meine Kinder essen“, meinte er nur.
„Ich kann auch was tun, was dir gefällt“, schlug Zoya vor.
Es war ekelhaft. Mit einem Male erschien ihm das ganze Verhältnis zu ihr widerwärtig und so niveaulos, wie er sich selbst beim besten Willen nicht sehen wollte. Das musste wirklich ein Ende finden, beschloss er und sagte:
„Zoya, das ist es. Du bist nicht mehr Au-pair hier und auch sonst brauchst du nicht mehr herzukommen. In Ordnung? Es geht nicht, dass jemand in einem solchen Zustand auf meine Kinder aufpasst.“
Richtig. Er war verantwortungslos gewesen, um sich den Vorteil von Zoyas verruchter Zugänglichkeit zu erhalten. Er schob sie zur Tür, da begann sie zu quietschen.
„Das kannst du nicht machen, du…“, ihr Englisch brach ab und sie wechselte in eine vielfältige Variation von Kiewer Slang.
Karl hörte ungerührt zu, hauptsächlich, weil er nicht verstand oder die Gravität der Beleidigungen nicht erfasste und schob Zoya durch die Türe. Als er geschlossen hatte, hörte er noch ein paar Takte, dann hämmerte sie ein paar Mal gegen das Holz und verschwand dann offensichtlich.
Karl war ins Wohnzimmer getreten. Er dachte, wie rasch ein Moment vollkommenen Glücks zerschellen konnte.
Er schob den Gedanken von sich, dass er sich besser um Zoya hätte kümmern sollen. Oder besser um seine Kinder. Das war noch viel bedenklicher.
Er griff zu der Flasche Wein und blickte auf Faynas halbvolles Glas. Sie hatte nur ein paar Schlucke genommen. Nun war sie fort.
Und Karl vermisste sie mit jedem Mal mehr.
Anton nahm den beklemmenden Weg auf sich, dem Bären zu berichten, dass Karl Graf das Seine unternahm, um die Lieferung von MetalO zurückzuweisen. Anton atmete schwer, als er zum inoffiziellen
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