Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
vielleicht hatte irgendjemand sie benutzt, einzig und allein zu dem Zweck, ihn in eine Falle zu locken. Vielleicht saß irgendwer dort oben, in der Dunkelheit ihres Schlafzimmers, und wartete nur darauf, dass er auftauchte. Jemand, der ein Held sein wollte. Oder der einen Grund hatte, ihn zu hassen.
Aber wer sollte das sein?
Der Asphalt vor ihm verwandelte sich unter seinem Blick und wurde für den Bruchteil einer Sekunde zu Wasser. Der Rhein. Kiesstrand. Und wieder Hitze. Immer wieder. Er glaubte, entfernte Stimmen zu hören. Und das Tuckern eines Ausflugsdampfers.
Und du bist Damian? Was für ein außergewöhnlicher Name! Griechisch, nicht wahr? Wenn ich nicht irre, bedeutet er so viel wie »der Mächtige« …
Damian blieb stehen und sah sich um. Näherten sich dort nicht Scheinwerfer? Da hinten? Hinter der Kurve?
Nein, Fehlalarm. Alles in Ordnung. Alles ruhig.
Die Fasern seiner Muskeln entspannten sich, und sein Herzschlag wurde von einer Sekunde zur anderen wieder ruhig und gleichmäßig. Nicht dass er Angst gehabt hätte. Er nahm seine Tasche aus dem Kofferraum, verzichtete jedoch darauf, noch einmal ihren Inhalt zu kontrollieren. Er schwitzte nicht. Er wollte es einfach nur hinter sich bringen.
Wie schön, dass du kommen konntest, Damian! Das wird Florentine freuen. Sie ist hinten im Garten …
Er hielt zitternd inne, als eine Welle von Erregung ihm für ein paar flüchtige Augenblicke den Atem nahm.
Schnell blinzelte er die Bilder fort, straffte die Schultern und ging mit beherzten Schritten auf das Grundstück zu, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was ihn dort erwarten würde.
5
Irina Portner erwachte mit rasenden Kopfschmerzen, und das Erste, was sie dachte, war, dass sie geträumt haben musste. Doch dann nahm sie den Schmerz wahr und wusste, es war real. Ihr Körper war eine einzige pochende Wunde.
Sie lauschte in sich hinein und versuchte, dem Pochen einen Ort zuzuordnen. Eine Stelle, irgendetwas, das sich fassen ließ. Doch das Einzige, was sie wahrnahm, waren ihre kalten Füße.
Wo war die Schwüle der Nacht?
Wie viel Zeit war vergangen, seit …
Ja … Seit was?
Obwohl die Angst sie mit Eispranken umklammert hielt, zwang sie sich dazu, die Augen zu öffnen, und sah die hohe Zimmerdecke, die ein Muster hatte. Blätter oder Ranken, die leise hin und her schwangen. Die Vorhänge, dachte sie, erleichtert, etwas wiederzuerkennen. Das Mondlicht, das durch die Gardinen fiel, zauberte ein Schattenmuster auf den reinweißen Putz. Zugleich kehrten nun auch die Bilder zurück. Das Mosaik aus Glaskacheln neben dem Badezimmerspiegel, die Ankleide, der Schatten, der neben ihr auf den Marmorboden fällt. Und das Leder. Handschuhe trotz der Hitze. Ein dumpfer Druck. Dann Dunkel.
Irina hielt den Atem an und lauschte auf Geräusche, die auf die Anwesenheit einer zweiten Person hindeuteten. Etwas, das ihr verriet, ob er noch da war. Ein leises Schlucken vielleicht. Oder das Rascheln von Kleidung. Aber alles, was sie hörte, war das entfernte Surren eines startenden Autos und das Ticken der Uhr, die an der Wand neben der Tür hing.
Irina mochte eigentlich keine Uhren, erst recht keine, die laut und vernehmlich vor sich hin tickten. Das Geräusch ablaufender Zeit in ihrer Nähe hatte sie schon immer nervös gemacht. Aber diese Uhr dort neben der Tür hatte sich in den acht Jahren ihrer Ehe zu einer Art Rettungsanker entwickelt,
an dem sie sich festklammern konnte, wenn Jan wieder einmal seine sogenannten ehelichen Rechte einforderte. Unzählige Nächte hatte sie hier im Bett gelegen und die Uhr angestarrt, während sie das Gewicht seines schweißnassen Körpers auf sich gefühlt hatte und den Schmerz, wenn er in sie eindrang. Die Uhr hatte sie daran erinnert, dass alles irgendwann vorbeiging, selbst der Schmerz, und ihre Augen waren dem Sekundenzeiger gefolgt und hatten in der Gleichförmigkeit seines Auf- und Abstiegs einen Hauch von Trost gefunden.
Und auch jetzt war die Uhr das Erste, was sie anzusehen wagte.
Das Ziffernblatt war grau und rund, mit römischen Zahlen darauf und einem mechanischen Uhrwerk. Seltsamerweise vergaß Jan niemals, die Uhr aufzuziehen, auch wenn er sich sonst um fast nichts kümmerte, was mit dem Haushalt zu tun hatte. Delegieren , sagte er immer, im sinnvollen Delegieren liegt das ganze Geheimnis. Es rechnet sich nicht, selbst einen Hammer in die Hand zu nehmen und dein Klo zu reparieren,
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