HMJ06 - Das Ritual
wenig Berühmtheit erlangen sollte, dann viel lieber mit ihren Gemälden und nicht weil sie sich im Lokalfernsehen das Maul zerriss.
8
Komme ich damit klar, in Zukunft Vater zu sein?, fragte sich Jack, während er an die Tür von Madame Pomerols Tempel der Ewigen Weisheit klopfte.
Er war in den Jahren, seit er in die City gezogen war, Kugeln ausgewichen, die für ihn bestimmt waren, war verprügelt, mit Messern angestochen, zersäbelt und des Öfteren nahezu erwürgt worden. Er sollte also fähig sein, mit etwas vergleichsweise Ungefährlichem wie einer Vaterschaft zurechtzukommen. Zumindest hoffte er es.
Die Aussicht, für die Erziehung eines Kindes zu einem anständigen Menschen verantwortlich zu sein, ohne irgendwann dabei zu versagen, beschäftigte sein Bewusstsein und ließ das ständige Bemühen, allen möglichen Angriffen auf sein Leben auszuweichen, um einiges einfacher erscheinen. Zumindest waren in diesem Punkt seine Wahlmöglichkeiten eindeutig vorgezeichnet.
Gott sei Dank brauchte er die Verantwortung nicht alleine zu tragen und konnte sich auf Gias Erfahrung in diesem Bereich verlassen.
Aber wenn ihr etwas zustoßen sollte?
Jack erschauerte, sobald er an diese Möglichkeit dachte, und fragte sich, warum er so schwarz sah. Das entsprach ihm ganz und gar nicht. Konnte es sein, dass die Elterngefühle einen derart veränderten?
Kommt Zeit, kommt Rat, dachte er. Konzentriere dich lieber auf das, was direkt vor dir liegt.
Er überprüfte den Sitz der Perücke, so dass die hinteren Strähnen seine Ohren wieder bedeckten, vor allem das linke mit dem Ohrhörer.
Die Tür schwang auf, und Carl Foster stand in der Öffnung. »Ah, Mr. Butler. Auf die Sekunde pünktlich.«
Mr. Butler, dachte Jack. Fast hätte er sich suchend umgeschaut, dann erinnerte er sich, dass er mit »Mr. Butler« gemeint war.
Sei verdammt noch mal bei der Sache!
Fast wünschte er sich, dass Gia mit ihrer sensationellen Mitteilung bis zum Abend des Tages gewartet hätte. Dies hier würde eine ziemlich heikle Nummer werden, die absolut präzises Timing erforderte. Er musste die Zukunft völlig aus seinem Bewusstsein streichen und sich auf die Gegenwart konzentrieren.
»Zeit und Gezeiten warten auf niemanden«, stellte Jack fest und verfiel in seine Rolle. »Wie ich immer sage.«
»Gut ausgedrückt«, erwiderte Foster und winkte ihn herein.
Heute trug Jack Jeans, Westernstiefel, ein weißes kragenloses Oberhemd und ein kariertes Sportsakko mit zwei tiefen Innentaschen, die beide gefüllt waren. Er folgte Foster zum Empfangstisch.
»Am besten regeln wir zuerst die profanen Angelegenheiten«, sagte Foster. »Haben Sie das Honorar für Madame Pomerol mitgebracht?«
»Was? Ach ja, sicher.« Jack zog einen Briefumschlag aus der Seitentasche und reichte ihn Foster. »Bitte sehr.«
Foster öffnete ihn und zählte schnell die fünf falschen Hundertdollarscheine. Seine Miene verzog sich enttäuscht.
»Ich dachte, Sie hätten gemeint, dass Gold das beste Mittel ist, um mit der spirituellen Welt Kontakt aufzunehmen.«
»Ja, natürlich, das hat mein Onkel Matt mir immer gepredigt, aber haben Sie eine Ahnung, wie schwierig es ist, Goldmünzen so auszusuchen und zusammenzustellen, dass sie einem genauen Geldbetrag entsprechen? Viel zu kompliziert, wenn Sie mich fragen.«
»Ich hätte Ihnen herausgeben können.«
»Daran habe ich gar nicht gedacht. Okay, das nächste Mal zahle ich mit Gold.«
»Hervorragend!« Foster strahlte, während er den Umschlag einsteckte. »Sie haben angedeutet, Sie wollten mit einem Onkel Kontakt aufnehmen? War es derselbe, von dem Sie meinten, er hätte früher des Öfteren Rat bei spirituellen Medien gesucht?«
»Jawohl. Das war Onkel Matt.«
»Doch nicht etwa Matt Cunningham?«
Oh, du bist gut, dachte Jack. Eine raffinierte Methode, um sich Informationen zu beschaffen.
Aber Jack wollte sich ausfragen lassen. Er war bereit zu plappern.
»Nee. Sein Nachname lautet West. Matthew West. Ein toller Kerl. Eine Schande, dass er sterben musste.«
»Wann war das?«
Jack fragte sich, ob sich Foster im Geiste Notizen machte oder ob Madame höchstselbst an ihrem Computer saß, über die im Raum verteilten Wanzen mithörte und just in diesem Augenblick, während sie sich hier unterhielten, den Namen Matthew Thomas Wests in die Suchmaske von www.sitters-net.com eintippte.
»Anfang des Jahres – ich weiß nicht mehr genau, ob es Ende Januar oder Ende Februar war. Ich weiß nur, dass ich in meinem ganzen
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