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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Geist ging er hastig alles durch, was er in den dreißig Jahren seines Lebens erfahren oder erlebt hatte, um eine Erklärung zu finden.
    Schließlich gab sich Charlie einen Ruck. »Glaubst du mir endlich? Es spukt bei uns.«
    Lyle weigerte sich, auf diesen Zug aufzuspringen. Er musste dieses bohrende Gefühl in seiner Magengrube unbedingt unterdrücken, ganz ruhig bleiben und logisch nachdenken.
    »Nein. So verrückt es auch erscheint, trotzdem muss es eine vernünftige Erklärung für alles geben.«
    »Willst du nicht endlich aufhören? Du machst dich ständig über unsere Kunden lustig, die jeden Blödsinn glauben, den wir ihnen zum Fraß vorwerfen. Du sagst doch immer, dass sie in ihrer Bereitschaft, alles für bare Münze zu nehmen, geradezu zwanghaft sind. Dabei bist du offenbar ganz genauso.«
    »Rede nicht so einen Quatsch.«
    »Es stimmt. Hör dir doch zu! Du redest wie ein zwanghafter Nichtgläubiger! Wenn etwas nicht zu dem passt, was du dir vorstellst, dann leugnest du es, lehnst es ab, selbst dann noch, wenn es dir regelrecht auf den Kopf fällt.«
    »Ich leugne doch gar nicht, dass dieser Fernseher ohne Stromanschluss in Betrieb ist und Programme aus den Achtzigern zeigt. Es ist nur so, dass ich mir nicht sofort eine übernatürliche Erklärung aus den Fingern sauge, mehr nicht.«
    »Warum schaffen wir den Kasten dann nicht zu einem Spezialisten, lassen ihn einen Blick darauf werfen und hören uns an, was er als Erklärung zu bieten hat?«
    Zu einem Spezialisten … was meinte er damit? Wo fand man solche »Spezialisten«?
    »Ich werde morgen früh versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen.«
    »Tu das«, sagte Charlie. »Ich will keinen Streit mit dir. Ich halte mich aus dieser Sache heraus. Stattdessen schnappe ich mir ein Buch und lese ein wenig.«
    »Ein Buch über Geister?«
    »Nein. Die Bibel.«
    Während Lyle verfolgte, wie Charlie zur Treppe in den ersten Stock ging, wünschte er sich fast, er hätte auch so etwas wie diesen Glauben, der ihm Trost und Sicherheit spenden würde.
    Aber alles, was er hatte, war ein Fernseher, der verrückt spielte.
     
     

8
     
    Jack schaffte die Fahrt in die Innenstadt in erstaunlich kurzer Zeit. Er wollte den Wagen zu seiner Verfügung haben, falls Bellitto seine Wirkungsstätte mit einem Taxi verließ. Er fand Eli Bellittos Antiquitätenladen im westlichen Teil von SoHo. Sein Shurio Coppe nahm eine Ecke im Erdgeschoss des alten dreistöckigen Hauses ein, das schon bessere Tage gesehen hatte. Einige gusseiserne Säulen der Fassade sahen aus, als würden sie sich vom Mauerwerk darunter lösen. Seltsam, hier ein Beispiel von Gusseisenarchitektur anzutreffen. Die meisten dieser Häuser waren weiter östlich zu finden.
    Immer noch in seiner Bob-Butler-Verkleidung mitsamt Perücke schlenderte Jack bis zum großen Schaufenster des Ladens. Unter dem kunstvoll gestalteten goldenen Schriftzug des Namens »Shurio Coppe« war die Zeile zu lesen: »Ungewöhnliche Objekte für den ernsthaften Sammler«. Der Blickfang dieses Fensters war ein ausgestopfter Fisch. Es war ein fast anderthalb Meter langer Stör mit halb offenen braunen Augen, der in der Mitte des Fensters an zwei dünnen Schnüren aufgehängt war, so dass es aussah, als schwebte er in der Luft. Die dicke Staubschicht auf seinen Schuppen verriet, dass er schon eine halbe Ewigkeit in diesem Schaufenster herumschwamm.
    Jack ging zum Eingang und warf einen Blick auf das Schild mit den Öffnungszeiten. Elis Bruder hatte Recht gehabt. Sonntags hatte der Laden von zwölf Uhr mittags bis sechs Uhr abends geöffnet. Jack sah auf die Uhr. Siebzehn Uhr dreißig. Warum sollte er die halbe Stunde bis zum Schließen nicht ausnutzen und sich ein wenig im Laden umsehen? Vielleicht fand er etwas Interessantes.
    Er drückte die Ladentür auf. Eine Glocke erklang. Der Mann, der im Mittelgang zwischen den Regalen stand, schaute hoch.
    Es war der Bruder persönlich. Jack erkannte ihn von dem Foto, das Edward ihm gegeben hatte: Eli Bellitto. Mit seinen eins achtzig wirkte er in Fleisch und Blut viel kräftiger, und auf dem Foto waren seine kalten, dunklen Augen nicht zu erkennen gewesen. Er trug einen maßgeschneiderten dreiteiligen anthrazitfarbenen Businessanzug mit einem weißen Oberhemd und einer gestreiften Krawatte. Mit seiner bleichen Haut, den ausgeprägten Jochbögen, dem dunkelbraunen Haar – gefärbt? – und der Stirnglatze erinnerte er Jack an Angus Scrimm aus Das Böse. Er ähnelte seinem Bruder tatsächlich so gut

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