HMJ06 - Das Ritual
eigentlich ein ziemlicher Idiot.
Der kleine Schlüsselanhänger ließ ihn an Vicky denken, deren Favorit seit kurzem ein Roger-Rabbit-Video war. Sie sah es sich mindestens dreimal pro Woche an und konnte Rogers »Bbbbiiiittttte, Eddie!« geradezu perfekt imitieren. Vicky würde diesen Schlüsselanhänger auf Anhieb ins Herz schließen.
Jack suchte nach dem Knauf an der Vitrinentür und fand stattdessen ein massives Vorhängeschloss. Seltsam. Jedes andere Stück im Laden, egal wie klein, musste wertvoller sein als all dieser Krimskrams in der Vitrine zusammen. Warum das schwere Schloss?
»Wir wollen gleich Schluss machen«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Jack wandte sich zu dem Inhaber um. Sein Gesichtsausdruck war nichts sagend.
»So früh schon?«
»Wir schließen heute um sechs«, sagte Bellitto. »Kann ich Ihnen mit irgendetwas dienen, ehe ich den Laden verriegle?«
»Ja«, antwortete Jack und deutete auf die Vitrine. »Ich interessiere mich für eins der Stücke.«
»Das wundert mich. Dies sind bei weitem die uninteressantesten Objekte im ganzen Laden. Zeugen kurzlebiger Moden und Trends. Abfall der Popkultur.«
»Genau deshalb möchte ich eins dieser Stücke erwerben.«
»Und welches?«
»Den Roger-Rabbit-Schlüsselanhänger.«
»O ja.« Die schmalen Lippen Bellittos krümmten sich zu einem knappen, verkniffenen Lächeln. »Der ist etwas Besonderes. Sogar etwas ganz Besonderes.«
»So etwas Besonderes nun auch wieder nicht. Bestimmt wurden diese Dinger millionenfach verkauft, aber jetzt werden sie nicht mehr hergestellt, und ich kenne jemanden, der sich riesig freuen würde, wenn …«
»Es tut mir aufrichtig Leid. Aber der Anhänger ist unverkäuflich.«
»Sie machen einen Scherz.«
»Ich versichere Ihnen, dass ich das nicht mache … einen Scherz, meine ich.«
»Warum stellen Sie ihn dann aus wie ein Stück Ware?«
Das freudlose Lächeln erschien wieder in dem blassen Gesicht des Ladeninhabers. »Weil es mir so gefällt.«
»Oh, ich verstehe. Es ist so etwas wie raffiniertes Täuschungsmanöver. Sie sichern den billigen Kram, als wären es die englischen Kronjuwelen, und lenken damit die Aufmerksamkeit von den wertvollen Stücken ab, die Sie so gut wie ungesichert herumliegen lassen. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie ein praktizierender Nostalgiker sind.«
»Ich will doch hoffen, dass ich das nicht bin. Sagen wir einfach, dass diese kleinen Schätze für mich einen gewissen sentimentalen Wert haben und ich sie gern so aufbewahre, dass die Menschen sie sehen und bewundern können.«
»Übersteigt der sentimentale Wert dieses Roger-Rabbit-Schlüsselrings möglicherweise die Zehndollargrenze?«
»Ich fürchte, das tut er.«
»Wie wäre es mit fünfzehn?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Dann fünfundzwanzig?«
»Nein.«
»Fünfzig?«
»Tut mir Leid.«
»Hundert?«
Ein entschiedenes Kopfschütteln. Bellittos Lachen hatte sich vertieft. Er amüsierte sich offensichtlich.
Das war vollkommen verrückt. Der Bursche konnte es nicht ernst meinen. Lehnte er tatsächlich ein Angebot von hundert Dollar für dieses billige Stück Plastik ab?
Jack streifte mit einem schnellen Blick die Ohren Eli Bellittos. Nein, er trug kein Hörgerät. Er musste ihn daher verstanden haben.
Okay, es wurde Zeit, dem Spielchen ein Ende zu machen und seinen Bluff zu entlarven.
»Was halten Sie von fünfhundert?«
Ein Kopfschütteln.
Arroganter Mistkerl, dachte Jack. Wie kommt er dazu, nein zu sagen? Na schön, noch einen Versuch wollte er machen. Diesmal würde er ihn überzeugen.
»Mister, ich gebe Ihnen eintausend Dollar – haben Sie gehört? –, eintausend amerikanische Dollar für diesen Schlüsselanhänger. Und das ist mein letztes Angebot. Nehmen Sie es an, oder lassen Sie’s.«
»Ich denke, ich lasse es, vielen Dank.«
Jacks Schock wurde durch Erleichterung gemildert. Er hatte zugelassen, dass er die Kontrolle über sich verlor. Tausend Dollar für ein so wertloses Stück Plastik? Wer von ihnen beiden war eigentlich der Verrücktere?
Sein Blick kehrte zu Roger Rabbit zurück, in dessen Augen immer noch dieser flehende Ausdruck lag.
»Tut mir Leid, Kumpel. Vielleicht beim nächsten Mal.«
»Es gibt kein nächstes Mal.« Bellitto schüttelte mit Nachdruck den Kopf. »Als ich sagte, dieses Stück sei unverkäuflich, war es kein Trick, um den Preis in die Höhe zu treiben. Ich habe es durchaus ernst gemeint.«
»Das glaube ich Ihnen sogar. Trotzdem können Sie es niemandem übel nehmen, wenn
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