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Hochgefickt

Titel: Hochgefickt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Bergdoll
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insgesamt eher den Rang des Freak-Maskottchens inne, den er durch sein linkisches Verhalten redlich untermauerte.
    Dass er immer rot wurde, wenn ich ihn anlächelte, bestätigte mich darin, dass er meine Eintrittskarte in die Loge dieses ganzen Zirkus sein könnte. Daher bedachte ich ihn mit fröhlicher Aufmerksamkeit, interessierte mich für die Bücher, die er zwischendurch immer las, und ermunterte ihn zur Konversation. Gezielt, aber dezent suchte ich seine Nähe, weil ich erfreut bemerkte, dass er sich das andersrum nicht traute.
    Die Unsicherheit, die er ausstrahlte, und die Schüchternheit, die er mir gegenüber trotz meines ermutigenden Verhaltens an den Tag legte, zeugten von einem wirklich ausgeprägten Mangel an Selbstbewusstsein – für mich ein phantastisches Vorzeichen: Leute mit schlechtem Selbstbewusstsein sind immer besonders anfällig für Statussymbole.
    Von diesem durch Mangel angefachten Wunsch nach Aufwertung leben ganze Industrien – man bedenke, wie viele Sportwagen wohl nur gekauft werden, um Komplexe des Fahrers bezüglich der Größe seines primären Geschlechtsorgans zu kompensieren! Und welches Statussymbol könnte einem verstockten Schlagzeuger mit latent verwachsener Figur, Sprachfehler und Freakstatus noch mehr Aufwertung versprechen, als ein schnelles Auto mit viel zu kleinem Kofferraum? Richtig: eine schöne junge Frau an seiner Seite – und zwar nicht irgendeine, sondern natürlich die, die alle anderen Jungs auf der Tour auch haben wollten, aber nicht kriegen konnten. Meine Verkäuferseele hatte Sebis Bedürfnis klar erkannt, und daher konnte ich ihm ein auf seine Mangelsituation perfekt zugeschnittenes Angebot unterbreiten: Durch meine Gunst würde nämlich ausgerechnet er derjenige sein, der im zwischenmännlichen Testosteron-Ranking der Tour plötzlich auf die Pole-Position düste.
    Das Problem war nur, dass er selbst lange nicht kapierte, dass er überhaupt im Rennen war. Geduld war gefragt, also drehte ich weiter meine Runden, schürte die hochtourige Wettbewerbshaltung um meine Person und wartete auf einen günstigen Moment, ihn aus seinem Schneckenhaus zu locken. Am Ende war es ausgerechnet Finn, der mir in seiner Lieblingsrolle als überhebliche Diva diesen Moment verschaffte.
    Ich betrat mit einer größeren Anzahl Zigaretten den Tourbus der Band, weil Finn drei Minuten zuvor lautstark rumkrakeelt hatte, er wolle sofort neue Kippen haben, die alten schmeckten nach Chemieklo. Kein Wunder, wenn man sie da rauchte.
    Die Bustür stand auf, und ich stieg die drei Stufen hoch. Hinten in der Sitzecke hibbelte Finn herum und zog lautstark die Nase hoch, als er mich sah.
    »Na das wurde auch Zeit! Ich muss ’nen Text schreiben, da brauch ich Kippen, komm, gib her!«
    Er riss mir hektisch die ganze Schachtel aus der Hand, fingerte sich umständlich eine Zigarette heraus und zündete sie sofort an der Flamme, die ich ihm anbot, an. Tiefes Inhalieren, aber natürlich kein Danke.
    »Ich schreib’ hier nämlich gerade einen Hit, das wird der Ober-Burner!«, sagte er und deutete in Richtung eines Schreibblocks, auf dem ich nur viel dick Durchgestrichenes erkennen konnte.
    »Toll.«
    »Ja, das wird total geil. Und weißt du was? Weil ich gerade so gut drauf bin, darfst du mir jetzt einen blasen!«
    »Warum sollte ich das wollen?«
    Er blickte mich zuerst entgeistert an, dann flippte er aus.
    »Weil ich ein verdammter Star bin! Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie viele Frauen von diesem Angebot träumen?!«
    »Klar – die kennen dich ja auch nicht.« Damit legte ich ihm eine frische Stange auf den Tisch, drehte mich um und ging zügig Richtung Ausgang.
    »Du verdammte Fotze«, brüllte er mir hinterher, »was bildest du dir ein? Du bist gar nichts, du bist nur eine blöde, kleine Zigarettenhure. Ich lass dich rauswerfen, du miese Schlampe, mich weist man nicht ab, mich nicht!«
    An den Tischen hinter dem Fahrersitz kam mir Sebi entgegen.
    »Was ist denn hier schon wieder für ein Radau!«, sagte er genervt.
    Normalerweise hätte ich so etwas gesagt wie: »Och, Finn ist sauer, weil ich ihm keinen blasen wollte, daher droht er, mich rauswerfen zu lassen. Soll er ruhig mal versuchen, dann zeig ich ihn wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz an und geh damit an die Presse!« Aber ich wollte ja mehr als nur eine Schlagzeile, und so handelte ich stattdessen intuitiv richtig: Ich fing einfach an zu heulen – die Atombombe unter den weiblichen Waffen.
    »Alles gut?«,

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