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Hochgefickt

Titel: Hochgefickt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Bergdoll
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fragte Sebi und sah mich an. Superfrage.
    Aufschluchzend schüttelte ich den Kopf.
    »Ja, heul ruhig, du frigide Nutte, das wird dir noch leid tun!«, rief Finn aus der Sitzecke. Sebi stand unschlüssig neben dem Schaltknüppel, ich ging an ihm vorbei, schlug mir die Hände vors Gesicht und greinte dabei: »Ich hab es so satt, ich hab es so satt!«
    Sebi folgte mir nach draußen.
    »Lina, warte! Was ist denn los?« Die Atombombe zündete wie geplant, denn mit einem »Komm, beruhig dich erst mal!« und ungelenkem Schulterblattgetätschel führte er mich zu einer Bank neben dem Cateringzelt, holte mir Servietten und einen Becher Wasser und setzte sich neben mich.
    Nachdem ich ihm relativ gefasst erzählt hatte, was im Bus passiert war und wie ich mich über meinen potentiellen Jobverlust sorgte, holte ich zum großen Schlag aus.
    »Aber weißt du, was wirklich beschissen ist?«, fragte ich mit zitternder Stimme, »Dass alle von mir immer nur Sex wollen. Jeder denkt, ich bin ein Luder, und behandelt mich auch so, die wollen mich nur als Trophäe – aber ich bin nicht so ein Wanderpokal wie Doreen.« Dramaturgisch gut gesetzt erneutes Aufschluchzen.
    »Und niemand interessiert sich für den Menschen in diesem Körper – ich kann doch nichts dafür, dass ich aussehe, wie ich aussehe!«
    Ich wusste, dass er das Problem an sich gut kannte, wenn auch mit anderen Ausgangsvoraussetzungen. Verbindende Gemeinsamkeiten sind ja äußerst nützlich, wenn man Vertrauen aufbauen will, und nachdem ich mich wieder gefasst hatte (Sebi traute sich mittlerweile sogar schon, tröstend seinen Arm um mich zu legen!), lancierte ich auf dieser Basis ein längeres Gespräch. Wie man das eben so macht, wenn man jemanden anbaggern will: plaudern über Herkunft, allgemeine Ansichten und die eigenen Vorstellungen von Beziehungen und Romantik. Dabei unterstrich ich natürlich nachdrücklich, wie unwichtig mir Äußerlichkeiten waren und dass in meinem Weltbild allein die inneren Werte einen Mann attraktiv machten.
    Es hätte nicht besser laufen können. Gut anderthalb Stunden später war für die Hostessen Abfahrt ins Hotel, und mit Blick auf die Uhr verabschiedete ich mich.
    »Danke, Sebi, das war echt schön, mit dir zu reden.«
    »Ja, fand ich auch!«, sagte er und lächelte verlegen.
    »Deine Freundin kann sich wirklich glücklich schätzen«, raunte ich ihm zu, als ich ihm einen Abschiedskuss auf die Wange hauchte und mich innerlich darauf vorbereitete, gleich glaubwürdig überrascht zu tun.
    »Ich hab gar keine Freundin!«, erwiderte er.
    Mit den größten Augen, die ich machen konnte, sah ich ihn an.
    »Wie, so ein Spitzentyp wie du ist noch zu haben?«, fragte ich mit ungläubiger Miene.
    Er zuckte die Achseln. »Anscheinend hat noch niemand erkannt, dass ich vielleicht gar nicht so scheiße bin, wie ich aussehe …«
    »Doch …«, sagte ich bedeutsam nickend, sah ihm fest in die Augen und fügte kokett grinsend hinzu: »… seit heute gibt es ganz sicher jemanden, der weiß, was du für ein toller Mensch bist.«
    Ich konnte in seinem Blick sehen, wie es klick machte und er endlich kapierte, dass ausgerechnet er derjenige war, dessen Werben um meine Gunst ich erhören würde.
    »Schlaf schön!«, sagte er errötend. »Wir sehen uns morgen!«
    Als ich mich im Gehen noch mal umdrehte, sah ich ihn im Pippi-Langstrumpf-Hüpfschritt Richtung Bandbus verschwinden – und in dem Moment freute es mich nicht nur, dass meine Taktik anscheinend aufging, sondern auch, dass ich hier in Sachen »Entwicklungshilfe« ein gutes Werk tat.

4
Feste Freundin
    (Sommer / Herbst 1993)

    Am nächsten Morgen weckte mich der Zimmerservice mit einem Strauß gelber Rosen. »Danke für den schönen Abend. Sebi«, stand auf der beiliegenden Karte. Der Tag hätte eigentlich nicht besser losgehen können, aber obwohl ich innerlich jubilierte, dass mein Plan, mich über Sebi ins Bandumfeld zu genschern, aufzugehen schien, konnte ich moralische Zweifel über mein Tun trotzdem nicht völlig ausblenden. Unter der Dusche hielt also mein Gewissen mit mir Zwiesprache, indem es meine Wertvorstellungen Jekyll-and-Hyde-mäßig neu austarierte: die integre, mit Skrupeln behaftete Jacqueline gegen ihr neues, erfolgshungriges Alter Ego Lina in akuter Triumphlaune.
    »Besser hätte es gar nicht laufen können …«, versuchte die Lina in mir, die Zweifel wegzuwischen, » Psychisch wird ein Riesending, die werden Stars – du hast doch den neuen Song gehört, den sie vorgestern

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