Hochgefickt
und die Luft sind so schön!«, schlug er vor.
Weil ich mir ja vorgenommen hatte, mich auf das Gute zu konzentrieren, sagte ich also nicht: »Was für eine blöde Idee ist das denn?! Mir tun die Füße eh schon weh, und jetzt noch 1,5 km mit den hohen Hacken den Berg runter laufen, bei dir piept’s wohl! Außerdem wird es gleich sowieso tierisch regnen, das rieche ich als Kind der Eifel, und das ruiniert mir dann nicht nur das Resultat von anderthalb Stunden Styling, sondern auch meine neuen Wildlederpumps. In die hab ich doch nicht investiert, um damit wandern zu gehen … also hör auf mit dem Romantikquatsch und ruf uns ein Taxi!«; sondern ich sagte: »Ja, lass uns diese schöne Nacht genießen!«, und hakte mich lächelnd bei ihm ein. Das Gute an dieser Situation war nämlich, dass meine Füße mich zügig zwingen würden, meine »Augen-zu-und-durch«-Taktik endlich umzusetzen. Nach ungefähr achtzig Metern war es so weit, ich blieb stehen (natürlich positionierte ich mich so, dass ich am Hang weiter unten stand und ihm somit trotz hoher Schuhe gleiche Augenhöhe bieten konnte, kleine Männer wissen so was immer zu schätzen), dann konzentrierte ich mich, so stark ich konnte darauf, dass er wirklich ein total supernetter Kerl war, öffnete leicht die Lippen, schloss die Augen und ließ mich von ihm küssen.
Ehrlich gesagt hatte ich erwartet, er sei ein Mixer, einer von den Jungs, bei denen ein Zungenkuss so funktioniert, dass man dem anderen die Zunge in den Mund flappt und dann hektische Rotationsbewegungen vollführt, oder gar ein Sabberer, aber zu meiner Überraschung küsste er mehr als passabel. Sogar so gut, dass ich meine schmerzenden Füße vergaß, und als wir nach zwanzig Minuten anregender Rumknutscherei endlich doch ein Taxi nahmen, erst da setzte der Regen ein. Auch der Rest der Nacht lief hervorragend, und ich lernte, gesegnet mit dem gnädigen Blick einer zufriedenen Frau, der ein ordentlicher Orgasmus beschert worden war, einige seiner Makel in neuem Licht zu sehen: Die Reste seiner Kopfbehaarung ergaben nämlich von oben betrachtet das Zeichen von Batman, und seine unglaublich lange Zunge ließ ihn zwar lispeln, bescherte ihm aber im nonverbalen Einsatz echte Superheld-Qualitäten. Ich war nicht verliebt in ihn, aber ich musste ihm weder vertikal noch horizontal etwas vorspielen. Es war wirklich angenehm, mit ihm Zeit zu verbringen, und Spaß im Bett machte er auch noch – mit ihm würde es sich in der Loge sehr gut aushalten lassen.
Aber das Tollste war, dass ich es dort auch mit mir selbst immer noch ganz gut aushalten konnte: Durch den Blick auf das Gute hatte ich drohende Selbstverachtung und Frigidität souverän umschiffen können, und darüber hinaus war ich bestens gelaunt, als ich merkte, wie auch der Rest des Plans aufging. Sebi mochte mich, das war klar, aber vor allem mochte er, wie anders er wahrgenommen wurde, seit ich an seiner Seite war. Seine erwartungsgemäß einsetzende Tendenz, mich als Statussymbol zu präsentieren, förderte ich natürlich nach Kräften, denn wenn man schon eine attraktive und sympathische Freundin hat, dann soll man die doch bitteschön auch stolz vorzeigen, am besten überall. Das sah er auch so, und weil Psychisch ausgerechnet mit seiner Nummer nach eineinhalb Wochen von 0 auf 5 in die Charts eingestiegen war, erlebte ich daher noch auf der Tour die ersten Pressetermine hautnah mit. Die Reporter durften im Bandbus ihre Fragen vortragen, und Sebi hatte zu Finns Ärger darauf bestanden, dass ich auch dabeibleiben durfte – als der aktuelle Hitschreiber setzte er sich einfach durch. So bekam ich mit, wie solche Interviewtermine abliefen, und zudem sprach mich einer der Reporter an, als die Jungs sich für die Fotos noch mal nachfrisierten.
»Wir haben uns aber schon mal gesehen!?«, fragte er, während er an seiner Fototasche rumfummelte.
»Ja?«, fragte ich freundlich, »Wo denn?« Ich hatte den Typen noch nie gesehen, da war ich mir sicher.
»Ohohohoho, ich weiß!«, fuhr er siegessicher fort, »Du bist die Exfreundin von Ben Herdheld von den Insassen !«
»Nein, da verwechselst du mich …«, lachte ich kopfschüttelnd.
Ben Herdheld war ein echter Popstar, hieß aber eigentlich Bruno Hausmann. Das wusste ich, weil seine Eltern vor 26 Jahren als junge Familie bei meinem Vater mehrere Versicherungen abgeschlossen hatten; ich kannte die Geschichte, seit ich als 14-jähriger Fan Bens Poster über meinem Bett hängen hatte, weil ich ihn sooo
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