Hochgefickt
süß fand. Damals konnte Günther es sich nicht verkneifen, mich mit meiner Schwärmerei aufzuziehen, und dank der neckischen Auswüchse seiner väterlichen Eifersucht wusste ich seitdem auch, dass Ben als Kind eine Vorhaut-Phimose hatte und ihm zudem eine dritte Brustwarze wegoperiert worden war. Das wusste Günther von Renate, die es wiederum von der jungen Mutter Hausmann während einer Kopfhautmassage erfahren hatte. Konnte ja in den 60ern niemand ahnen, dass der beschnittene Filius eines Tages berühmt wird und dass die erst Jahre später entstandene Tochter der fahrenden Friseurin eines Tages so massiv vom Elefantengedächtnis ihrer Mutter und vom Piesacken ihres Vaters profitieren würde.
Ich packte die sich mir in diesem Moment auftuende günstige Gelegenheit beim Schopf und präzisierte mein abwiegelndes »Nein …« indiskret, aber wahrheitsgemäß mit »… ich kenne zwar seinen bürgerlichen Namen und weiß, dass er beschnitten ist, aber ich bin nicht seine Ex-Freundin.«
»Aber solche Details weißt du trotzdem?«, legte der Beblockte den Kopf schief und glotzte mir dabei ungehemmt in den Ausschnitt.
»Anscheinend …«, grinste ich und hob die linke Augenbraue.
»Ey, hier«, brüllte Finn aus der Sitzecke, während er mit großer Geste den rechten Zeigefinger auf sein linkes Handgelenk pochte, »Fotos entweder jetzt sofort oder gar nicht mehr!«
Der Reporter spurte umgehend und knipste die vier zuerst in der Sitzecke, dann lustig aus ihren Schlafkojen in den Gang lugend, und danach noch jeden einzeln in der jeweiligen Koje: Finn mit Stift und Block als Künstler, Clemens dösend mit Schlafbrille und Discman, Bass-Bernd mit lustiger Grimasse und seinen Penthouse - Playboy - Dickerchen -Heftchen … und Sebi?
Sebi platzte dermaßen vor Stolz auf seine Freundin, dass sie unbedingt mit aufs Bild musste – und diesen Wunsch konnte ich ihm natürlich nicht abschlagen.
Am darauffolgenden Donnerstag hatte die Band vier Seiten in der BRAVO. Das große Interview, gespickt mit insgesamt zwanzig Fotos, die die Band auf der Bühne und im Tourbus zeigten, garniert mit informativen Bildunterschriften: »Bernd entspannt sich beim Lesen«, »Bald-Papa Finn verfasst Gedichte für sein ungeborenes Kind«, »Hit-Schreiber Sebi relaxt mit seiner Freundin Lina (hatte vorher was mit Ben Herdheld!)«. Über die geklammerte Aussage amüsierte sich Sebi sehr, nachdem ich ihm erzählt hatte, wie der Reporter zu diesem Fehlschluss gekommen war. Abgesehen davon gefiel es seinem aufkeimenden Ego, als der Typ zu erscheinen, der dem attraktiven Insassen -Sänger die Freundin ausgespannt hatte. Und was es für mein Ego bedeutete, es keine drei Monate nach dem Schützenfest schon in die BRAVO geschafft zu haben, muss ich wohl nicht extra erwähnen …
Nach dem Ende der Tour bezog ich mein Apartment in Köln, wo ich zum Wintersemester mit meinem Studium anfangen wollte. Weil Psychisch ihr neues Album ebenfalls in der Domstadt aufnahmen, lief mit Sebi alles weiter wie gehabt: Ich war an seiner Seite mitten in dem ganzen Rummel um die Band, deren aktuelle Single »Wenn ich könnte, wie ich wollte« mittlerweile auf Platz 2 der Charts stand. Studioaufnahmen, Pressekonfe renzen, Fernsehauftritte, Videodrehs und Partys – alles war neu und spannend, und für meine Zwecke mehr als nützlich. Nicht nur, dass ich mich als Musikerfreundin mit exzentrischen Outfits so in die Berichterstattung drängte, dass Renate mindestens zwei Zeitungsausschnitte pro Woche in ihr Sammelalbum kleben konnte – ich versuchte auch, mich eine Ebene höher, nämlich hinter den Kulissen zu etablieren. Mit meiner plaudernden Art, die mich sympathisch und unbedarft erscheinen ließ, knüpfte ich auf diesen Veranstaltungen reichlich Kontakte, die teilweise für mich noch richtig wichtig werden sollten …
So kam ich bei der »Countdown-zum-Sendestart«-Party eines neuen Privatsenders erstmals in Kontakt mit Tom Kosly. Mit flippigen Klamotten und schräger Frisur präsentierte sich der Mittzwanziger als frech-forscher Freak – ein beliebtes Mittel, um aufzufallen, wenn man von Natur aus eigentlich nur durchschnittlich aussieht. Ich bediente das Klischee der blondierten Sexbombe damals schließlich auch nicht ohne Grund.
Der speckige Senderchef stellte ihn auf der Party als »Showstar des kommenden Jahrtausends« vor. Was Tom Kosly auf jeden Fall hatte, war ein unglaubliches Selbstbewusstsein mit Hang zur Dreistigkeit, und als Sebi mit der Band auf der
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